Zwei Einsatzkräfte in grüner Schutzkleidung an der Bank, wo Skripal und seine Tochter gefunden wurden.

Fall Skripal Die Suche geht weiter

Stand: 04.03.2019 05:30 Uhr

Ein Jahr nach dem Nowitschok-Anschlag in Salisbury sind noch immer nicht alle Fragen um den Mordversuch am russischen Ex-Spion Skripal geklärt. Ein Überblick über den Ermittlungsstand.

Ein Jahr lang gingen Spezialkräfte in ihren weißen Schutzanzügen in dem Haus von Sergei Skripal ein und aus, das Grundstück in der kleinen südenglischen Stadt Salisbury war weiträumig abgesperrt. Erst Ende vergangener Woche wurden die Säuberungsarbeiten beendet. Das Gift sollen die Täter auf den Türgriff des Hauses des ehemaligen russischen Agenten geschmiert haben.

Salisbury ist Nowitschok-frei - so die Botschaft der Behörden, wenn man das mit dieser Gewissheit überhaupt sagen kann. Mehr als 800 Spezialisten, u.a. auch vom Militär waren im Einsatz. Außer Skripals Haus hatten die Sicherheitskräfte elf weitere Bereiche abgesperrt, Orte wo sich Vater und Tochter aufgehalten hatten.

Nur wenige Monate später war ein britisches Paar auf tragische Weise mit dem Nervengift in Berührung gekommen, die 44-Jährige Dawn Sturgess starb nur Tage später an den Folgen. Der Mann, Charlie Rowley, hatte ein Parfumfläschchen mit dem Nervengift gefunden und seiner Partnerin geschenkt. Die Täter hatten das Fläschchen offenbar achtlos weggeschmissen.

Ruslan Boschirow und Alexander Petrow in Salisbury

Ruslan Boschirow und Alexander Petrow in Salisbury

Zwei Verdächtige identifiziert

Der stellvertretende Polizeichef in Salisbury Paul Mills sucht nach wie vor nach Zeugen: "Die Ermittlungen gehen weiter. Wir haben heute nochmal einen Aufruf gestartet. Wir suchen weiter nach Hinweisen, wo sich das Parfümfläschchen genau befand. Charlie Rowley erinnert sich nach der Vergiftung nicht mehr, wo er es gefunden hat. Das würde uns bei den weiteren Ermittlungen helfen."

Experten gehen davon aus, dass das Nervengift in dem Parfümfläschchen, aus der gleichen Charge stammt wie das, mit dem die Skripals vergiftet wurden.

Großbritannien hatte bereits im September nach der Auswertung von umfangreichem Material von Überwachungskameras zwei Verdächtige identifiziert: Ruslan Boschirow und Alexander Petrow. Nach britischen Ermittlungen steckt der russische Militärgeheimdienst GRU hinter der Tat. Die Regierung in Moskau streitet das nach wie vor vehement ab. 23 russische Diplomaten wurden nach dem Nervengiftanschlag ausgewiesen.

Bellingcat geht von weiteren Mittätern aus

Das anerkannte britische Recherchenetzwerk Bellingcat spricht mittlerweile von weiteren russischen Verdächtigen. Christo Grozev, Autor beim Recherchenetzwerk, geht von insgesamt vier Personen aus, die dem russischen Geheimdienst GRU angehören und am selben Tag nach London gereist sind. Bellingcat identifizierte einen dritten Verdächtigen mit dem Decknamen Sergej Fedotow. Ausgangspunkt waren die Recherchen der russischen News-Website Fontanka.

Auffällig sei die Ähnlichkeit der Passnummern, so Grozev: "Diese dritte verdächtige Person hat eine ähnliche Passnummer, nur die letzten zwei Ziffern unterscheiden sich von den Nummern von Boschirow und Petrow", erkärt er. "Die Pässe wurden von der gleichen Stelle ausgegeben. Hier werden Pässe für das Militär, für Mitglieder des Geheimdienstes GRU und für international berühmte Persönlichkeiten, die die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben wie Gerard Depardieu, ausgegeben. Hier bekommt kein normaler Mensch seinen Reisepass."

Bellingcat verfügt laut eigenen Angaben über ein breites Netzwerk, erhält Informationen von Whistleblowern auch auf russischer Regierungsebene, recherchiert aber vor allen Dingen in öffentlich zugänglichen Datenbanken, Verzeichnissen und sozialen Medien. Nach den Recherchen von Grosev und seinen Kollegen war der dritte Verdächtige Absolvent der diplomatischen Militärakademie, auch GRU-Konservatorium genannt.

Eiszeit zwischen Russland und dem Vereinigten Königreich

"Hier werden hochrangige Spione ausgebildet. Wir gehen davon aus, dass er Senior Supervisor war - jemand der dafür sorgt, dass die Dinge laufen, aber jemand der sich nicht die Hände mit Gift schmutzig macht", so Grosev.

Sergej Fedotow soll laut dem britischen Recherchenetzwerk auch in Bulgarien gewesen sein, als dort ein vergleichbarer Giftanschlag auf den Waffenfabrikanten Emilio Gebrev im Jahr 2015 verübt wurde.

Bellingcat will in Kürze weitere Informationen zu den Recherchen und auch zum vierten Verdächtigen auf ihre Internetseite stellen. Das Team des Netzwerks hofft, dass auch die britischen Ermittler ihre Ergebnisse bald öffentlich machen, um daran anzuknüpfen. Sie haben die Existenz eines dritten und vierten Verdächtigen bislang nicht bestätigt.

Währenddessen herrscht weiter Eiszeit zwischen Russland und Großbritannien. Erst bei der Sicherheitskonferenz in München waren Vertreter Russlands und Großbritanniens wieder zu offiziellen Gesprächen zusammengekommen. Der britische Staatssekretär für Europa, Alan Duncan, rief Russland dazu auf, sich „als verantwortlicher Partner zu erweisen und einen anderen Weg einzuschlagen“.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. März 2019 um 07:20 Uhr.