Kaczynski-Partei will Veto einlegen In Polen droht ein Nein zum EU-Vertrag

Stand: 12.03.2008 21:53 Uhr

Erst feierten Polens Kaczynski-Brüder den EU-Reformvertrag als ihren Verhandlungserfolg. Jetzt passt er dem damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski nicht mehr. Eine Zustimmung der Abgeordneten seiner Partei knüpfte er an Bedingungen.

Von Thomas Rautenberg, ARD-Hörfunkstudio Warschau

Polens rechtsnationaler Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski war wieder ganz der Alte. Polen dürfe nicht zu einer "Wojewodschaft", also einem Regierungsbezirk, der Europäischen Union werden, sagte der polnische Ex-Premier und drohte mit der parlamentarischen Blockade des Lissaboner EU-Reformvertrages.

"Der Vertrag kann nicht auf eine Art und Weise interpretiert werden, die gegen die Souveränität einzelner Staaten verstößt." Polen sei und bleibe innerhalb der EU souverän und dies werde man auch verteidigen, fügte der ehemalige Ministerpräsident hinzu. "Hier gibt es keine Halbheiten. Das ist genau das, was wir in früheren Verhandlungen immer gesagt haben." Kaczynski hat daher eine Präambel zum Vertrag gefordert. In der soll ausdrücklich festgestellt werden, dass die Unabhängigkeit Polens gewahrt und die EU-Grundrechtecharta nur begrenzt angewendet wird.

"Endgültig im Abseits"

Für Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hat sich Kaczynski mit seiner Veto-Drohung endgültig ins politische Abseits manövriert: "Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich auf die Rolle des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski hinweisen. Er hat bei den Kompromissverhandlungen mit der EU die Gespräche geführt. Ich darf auch daran erinnern, dass der gesamte Lissaboner Vertrag, wie er im polnischen Sejm zur Entscheidung vorliegt, ein Ergebnis der Verhandlungen der damaligen Kaczynski-Regierung ist."

Die Vetodrohung des rechtsnationalen Oppositionschefs kommt für die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk offenbar ziemlich überraschend. Schließlich war die neue polnische Regierung bereits auf viele Forderungen gerade von Präsident Kaczynski eingegangen.

Keine Zugeständnisse mehr

Ein nochmaliges Entgegenkommen der Regierungsseite werde es nicht geben, betonte Parlamentschef Bronislaw Komorowski seinerseits: "Wenn Jaroslaw Kaczynski glaubt, dass er für Polen keinen guten Vertrag ausgehandelt hat, dann soll er seinen Bruder, den Präsidenten bitten, die Ratifizierung nicht zu unterschreiben." Beide seien doch nach Polen zurückgekommen und hätten den Vertrag als ganz großen Erfolg für sich hingestellt.

Wenn nicht mindestens 14 Abgeordnete aus der Kaczynski-Partei bei der bevorstehenden Abstimmung für den EU-Vertrag votieren, scheitert das Projekt an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit. Noch aber hält kaum einer in Polen einen solchen parlamentarischen Super-Gau wirklich für möglich.

Ratifizierung der EU-Reformen

Der auf dem Gipfeltreffen in Lissabon im Dezember 2007 unterzeichnete Vertrag zur Reform der Europäischen Union soll Anfang 2009 in Kraft treten. Bis dahin muss er von allen 27 Mitgliedstaaten der EU ratifiziert werden. Je nach nationalem Recht gibt es dafür unterschiedliche Verfahren. Bereits ratifiziert haben den Vertrag: Ungarn, Slowenien, Malta, Rumänien, Frankreich, Bulgarien, Polen, die Slowakei, Portugal, Dänemark, Österreich, Lettland, Litauen, Luxemburg, Finnland, Estland und Griechenland. In Deutschland wurde der Vertrag trotz der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat noch nicht ratifiziert. Das Bundesverfassungsgericht muss nach Klagen entscheiden, ob Bundespräsident Horst Köhler das Zustimmungsgesetz unterzeichnen darf. In den Niederlanden gab es am 5. Juni die Annahme im Unterhaus des Parlaments. Die für den Abschluss der Ratifizierung noch fehlende Zustimmung des Senats gilt als Formsache. In Tschechien hat die zweite Parlamentskammer ihre Abstimmung am 24. April verschoben. Dort soll erst das Verfassungsgericht über die Vereinbarkeit mit tschechischem Recht entscheiden.
Auch in Großbritannien, Schweden, Belgien, Spanien, Italien und Zypern stehen die Zustimmungen noch aus. Nach dem Nein der irischen Volksabstimmung ist aber vieles offen.