"PanamaPapers" Geflecht von Briefkastenfirmen Putin-Vertrauter

Stand: 13.04.2016 12:06 Uhr

In den "PanamaPapers" tauchen auch Transaktionen in Milliardenhöhe auf, die mit Vertrauten und dem Umfeld des russischen Präsidenten Putin in Verbindung stehen. Offenbar betrieben sie ein Netzwerk von Briefkastenfirmen.

Von Petra Blum, WDR

Es gibt kaum jemanden im Umfeld von Wladimir Putin, der über seine Nähe zu ihm spricht - nur einer gab der Presse in der Vergangenheit ungewohnt ausführlich Auskunft über seine gemeinsame Jugendzeit mit dem russischen Staatschef und dessen Privatleben: der St. Petersburger Profi-Cellist Sergej Roldugin. In zahlreichen Interviews beschreibt er, wie er und der nur ein Jahr jüngere Putin durch die Straßen von St. Petersburg fuhren, als sie beide noch in ihren 20ern waren, sich gelegentlich prügelten, und wie sein Freund Vladimir seine spätere Frau Lyudmilla kennenlernte.

Netzwerk von Briefkastenfirmen

Wie die Recherchen des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), der "Süddeutschen Zeitung", des NDR und des WDR ergaben, offenbaren die "PanamaPapers" eine neue Seite von Putins Freund Sergej Roldugin. Er spielte eine wichtige Rolle in einem Netzwerk von Briefkastenfirmen, durch das im Laufe mehrerer Jahre zwei Milliarden Dollar geschleust wurden und in dem weitere Bekannte des Präsidenten auftauchen. Und das, obwohl Putin selbst Briefkastenfirmen öffentlich für "unpatriotisch" erklärt hat.

Der Profi-Cellist aus St. Petersburg fungierte den Unterlagen der panamischen Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca" zufolge als Inhaber gleich zweier Briefkastenfirmn  - "Sonnette Overseas", registriert auf den britischen Jungferninseln, und "International Media Overseas", registriert in Panama.

St. Petersburger Bank steuerte Geschäfte

In den "PanamaPapers" ist ebenfalls belegt, wer diese Briefkastenfirmen steuerte - das war anscheinend nur selten der Musiker Roldugin selbst. Stattdessen kommen die E-Mails mit Verträgen und Dokumenten, die seine Briefkastenfirmen betreffen, häufig von einer bestimmten Adresse: der St. Petersburger "Bank Rossiya". Deren Hauptaktionär ist auch ein guter Bekannter Putins. Wegen ihrer Nähe zur obersten russischen Führung wurde die Bank von den USA im März 2014 sanktioniert. "Bank Rossiya" pflegte eine ganz besondere Beziehung zu "Mossack Fonseca": Unzählige Dokumente aus dem Datenleck offenbaren, dass "Bank Rossiya" mit Hilfe der panamaischen Kanzlei ein Schattensystem aus mindestens vier Briefkastenfirmen aufgebaut und betrieben hat.

Gebäude der Rossija Bank in St. Petersburg.

Die "Bank Rossiya" in St. Petersburg pflegte einen engen Kontakt nach Panama.

Manche Zahlungen, die an das Netzwerk geleistet wurden, lassen sich direkt weiteren Vertrauten Putins zuordnen. Für die Geldtransfers werden in dem von "Bank Rossiya" betriebenen System unterschiedlichste Methoden eingesetzt: Es besteht aus Aktien- und Optionsgeschäften, einem Verwirrspiel aus Firmenkäufen und -verkäufen. Millionen US-Dollar, Rubel und Euro werden als Kredite verpackt und verschoben. Alles schien nur einem einzigen Zweck zu dienen: zu verschleiern, wer in Wirklichkeit dahinter steckt.

Auf Anfrage wollte sich "Mossack Fonseca" zu den Vorgängen nicht äußern. Nur so viel: Man könne bestätigen, dass die in der Anfrage genannte Partei - gemeint ist "Bank Rossiya" - kein Kunde von "Mossack Fonseca" gewesen sei. Ausgedruckt füllt der direkte Schriftverkehr zwischen "Mossack Fonseca" und "Bank Rossiya" allerdings mehrere Ordner. Über Jahre erhielten die Angestellten von "Mossack Fonseca" unzählige E-Mails mit Anweisungen von "Bank Rossiya"-Mitarbeitern und schickten häufig unterschriebene Dokumente direkt per Kurier nach St. Petersburg - Dutzende Verträge, oft 50 oder mehr Seiten lang.

Ungewöhnliche Firmenbeteiligungen für einen Musiker

Wie die unterschriebenen Verträge zeigen, besaß Sergej Roldugin Anteile an einer russischen Firma, die man bei einem Musiker nicht erwarten würde: Seine Briefkastenfirma "International Media Overseas" kaufte indirekt 12,5 Prozent der Anteile des wichtigen TV-Werbevermittlers "Video International". Das Unternehmen galt in Russland lange Zeit als Gelddruckmaschine, weil die Firma den russischen Anzeigemarkt beherrschte - es ist bis heute sehr einflussreich auf dem Medienmarkt. Der Cellist war außerdem in Optionsgeschäfte verwickelt, die ihm die Möglichkeit eingeräumt haben, indirekt Anteile an dem strategisch wichtigen Lastwagen- und Panzerhersteller "Kamaz" zu erwerben. Sogar weitreichende Kontrollrechte waren geplant, wären seine Optionen eingelöst worden. Weder "Video International" noch "Kamaz" wollten sich auf Anfrage dazu äußern.

Auch Sergej Roldugin reagierte nicht auf eine schriftliche Anfrage. Als ihn Reporter des "Organized Crime and Corruption Reporting Project" und der russischen Zeitung "Novaja Gazeta" nach einem Konzert Ende März persönlich konfrontierten, teilte er mit, dass er mehr Zeit brauche und sich die an ihn gestellten Fragen genauer anschauen müsse. "Bank Rossiya" hat zu einer ausführlichen, schriftlichen Anfrage keine Stellung genommen.

Dabei waren die Roldugin-Firmen nicht die einzigen in dem von der St. Petersburger Bank betriebenen Netzwerk. Eine weitere Firma, die dazu gehörte und die es besonders in sich hatte, heißt "Sandalwood". Sie war auf den britischen Jungferninseln registriert und wurde intensiv von den Managern bei "Bank Rossiya" gepflegt, wie die E-Mail-Korrespondenz zwischen der Bank und der panamaischen Kanzlei zeigt.

Hunderte Millionen über Briefkastenfirma geschleust

Das Hauptgeschehen fand allerdings nicht auf den britischen Jungferninseln statt, sondern auf Zypern. Die große Mittelmeerinsel gilt schon seit jeher als eng mit Russland verbunden und war lange Zeit einer der beliebtesten Finanzplätze für reiche Russen. Eine der größten Banken in Zypern, die "Russian Commercial Bank" (RCB), war lange Zeit eine Tochter der russischen "VTB Bank", die sich im Besitz des russischen Staates befand. Und mit dieser RCB unterhielt die Briefkastenfirma "Sandalwood" eine intensive Geschäftsbeziehung: Die Bank gab "Sandalwood" hohe Kreditlinien, umgerechnet bis zu 800 Millionen US-Dollar durfte "Sandalwood" während seiner aktiven Jahre ziehen, meist in Rubel, manchmal auch in US-Dollar oder sogar Euro. Kreditlinien funktionieren wie eine Art Kreditkarte: Es gibt ein Kreditlimit, das ausgeschöpft werden darf.

"Sandalwood" gab sein geliehenes Geld weiter - ebenfalls in Form von Krediten. In manchen Jahren wurden so mehr als 500 Millionen US-Dollar durch "Sandalwood" geschleust. Es sind Kredite zu merkwürdigen Konditionen: oft ungewöhnlich niedrige Zinsen, keine regelmäßige Rückzahlung, und es müssen auch keine Sicherheiten für das Geld hinterlegt werden. Ein Vertreter der "Russian Commercial Bank Cyprus" teilte auf Anfrage mit, man habe sich immer vollständig an die Anti-Geldwäsche Regularien gehalten.

Vladimir Putin wollte sich auf eine schriftlich gestellte Anfrage nicht äußern. Wohl aber teilte sein Sprecher Dimitri Peskov in einer Pressekonferenz mit, dass die vom ICIJ und seinen Medienpartnern recherchierten Vorgänge eine Verleumdungskampagne gegen Vladimir Putin seien.

Dieses Thema im Programm: Mehr zu dem Thema am Sonntag um 21.45 Uhr in der Sendung Anne Will im Ersten.