Datenleck bringt Staatschefs in Schwierigkeiten Die Briefkastenfirmen der Mächtigen

Stand: 13.04.2016 12:08 Uhr

Eine internationale Recherche deckt auf, wer alles von Briefkastenfirmen profitierte: Staats- und Regierungschefs, Putin-Vertraute, Sportstars. Das geht aus einem Datenleck bei einem der größten Anbieter für solche Konstruktionen hervor.

Von Petra Blum, WDR und Christian Deker, Peter Hornung, Kersten Mügge, Elena Kuch, Julia Stein, Jan Lukas Strozyk, Benedikt Strunz, NDR

Ein Datenleck bei einem der größten Anbieter für Briefkastenfirmen bringt zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie andere Politiker in aller Welt in Schwierigkeiten. Die Unterlagen zeigen, wie sie in Geschäfte mit Offshore-Konstruktionen verstrickt sind. Das Leck umfasst E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften, vor allem in Panama und den Britischen Jungferninseln.

Offshore-Geschäfte von 140 Politikern und hohen Amtsträgern

Die Daten legen die Offshore-Geschäfte von insgesamt 140 Politikern und hohen Amtsträgern aus aller Welt offen. Insgesamt finden sich die Namen von zwölf amtierenden und ehemaligen Staats- und Regierungschefs in den Unterlagen, zum Beispiel der Premierminister von Island und Pakistan und der Präsidenten von Argentinien und der Ukraine. In den Dokumenten tauchen aber auch Spione auf, Drogenhändler und andere Kriminelle. Zudem haben zahlreiche Sportstars und Prominente Offshore-Firmen genutzt.

Enge Vertraute von Putin und der Cousin von Assad

Mehrere enge Vertraute von Russlands Präsident Wladimir Putin finden sich in dem Leck wieder. Einer davon ist Sergej Roldugin, der als bester Freund des Präsidenten gilt und Taufpate seiner Tochter ist. Roldugin, in Russland ein bekannter Cellist, war an einem Netz von Briefkastenfirmen beteiligt, in dem innerhalb weniger Jahre mehr als zwei Milliarden US-Dollar verschoben worden sind.

Auch international sanktionierte Geschäftsleute wie der Cousin von Präsident Bashar al-Assad oder Monarchen, wie der König von Saudi-Arabien, haben den Unterlagen zufolge Offshore-Firmen genutzt.

Die Daten stammen von der panamaischen Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca". Eine anonyme Quelle hat sie der "Süddeutschen Zeitung" überlassen, die sie mit dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ), NDR und WDR teilte. Insgesamt umfasst das Leck 11,5 Millionen Dateien, der größte Teil davon aus den Jahren 2005 bis 2015. Der Datensatz ist 2,6 Terabyte groß. Die Rechercheergebnisse betreffen nahezu jedes Land der Erde und werden seit Sonntagabend weltweit von 109 Medien unter dem Titel "PanamaPapers" veröffentlicht.

Premier und zwei Minister in Island

In Island müssen sich drei Kabinettsmitglieder der amtierenden Regierung für Offshore-Geschäfte rechtfertigen. Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson hielt Anteile an einer Offshore-Firma, in der Anleihen in Millionenhöhe wichtiger isländischer Banken deponiert wurden. Auch die Innenministerin und der Finanzminister haben den Unterlagen zufolge "Mossack Fonseca"-Firmen genutzt.

Der als Reformer eines korrupten Systems angetretene Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, taucht in den Dokumenten als Besitzer einer Briefkastengesellschaft ebenso auf, wie Ukraines Ex-Premier, der wegen Betruges und Geldwäsche verurteilte Pavlo Lazarenko.

Die Recherchen der "PanamaPapers" ermöglichen einen einmaligen Einblick in die geheime Offshore-Welt und die Arbeitsweise eines ihrer Schlüsselspieler, der Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca". Sie hat die Briefkastenfirmen im Auftrag gegründet und verwaltet - rund ein Drittel der untersuchten Firmen waren zum Zeitpunkt der Recherche noch aktiv. In Zusammenarbeit mit Banken, Rechtsanwälten und Finanzberatern verkauft "Mossack Fonseca" die Gesellschaften, mit Sitz zum Beispiel in Panama oder auf den Britischen Jungferninseln, an die Kunden. Die haben dann die Möglichkeit, mithilfe der Firmen anonyme Konten und Aktiendepots einzurichten und Jachten, Kunstwerke, Autos oder Immobilien zu verstecken. Nach außen repräsentieren Scheindirektoren, meist gestellt von "Mossack Fonseca", die jeweiligen Firmen. Der Name des eigentlichen Eigentümers taucht nicht auf.

Siemens-Manager profitierten mutmaßlich von Schwarzgeldern

Derartige Firmen können legale Ziele verfolgen. Die Anonymität zieht aber auch Kriminelle an. So lässt sich in den Unterlagen beispielsweise nachvollziehen, wie Siemens-Manager die Dienste genutzt haben, um mutmaßlich Schwarzgelder in die eigene Tasche umzuleiten. Zu den weiteren Kunden von "Mossack Fonseca" gehören mindestens 33 Personen und Firmen, die auf verschiedenen Sanktionslisten stehen - weil sie Geschäfte mit Terrororganisationen wie der Hisbollah und mit mexikanischen Drogenkartellen gemacht haben oder Einfuhrverbote für den Iran oder Nordkorea umgangen haben. Eine Briefkastengesellschaft wurde allem Anschein nach dafür genutzt, Treibstoff für syrische Kampfflugzeuge zu beschaffen, mit denen Tausende Zivilisten zu Tode gebombt worden sind.

Lionel Messi als Begünstigter eine Offshore-Firma

Auch der argentinische Fußballstar Lionel Messi, der sich in diesem Frühjahr in Spanien wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten muss, wird in den "Mossack Fonseca"-Unterlagen als Begünstigter einer bislang unbekannten Offshore-Firma geführt. In den Papieren finden sich zudem Spuren zu Bestechungsskandalen, etwa zur FIFA-Affäre. Demnach hat ein Mitglied der Ethikkommission des Weltfußballverbands gleich drei der in den USA im Zusammenhang mit der FIFA-Affäre Angeklagten bei der Einrichtung von Briefkastenfirmen geholfen.

Wahre Besitzverhältnisse werden verschleiert

Die Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca" verschleiert die wahren Besitzverhältnisse der Firmen zum Teil mit großem Aufwand: Sie setzt Scheindirektoren und Scheingesellschafter ein, bieten Treuhänderdienste an, um die Herkunft von Überweisungen unkenntlich zu machen und kommuniziert mit einigen Kunden ausschließlich über spezielle E-Mail-Adressen mit Geheimnamen. Dazu gründete das Unternehmen eine eigene Tarngesellschaft, die sich als Handelsbetrieb ausgab. In einigen Fällen täuschte "Mossack Fonseca" dabei auch Banken über die wahre Herkunft von Überweisungen, mutmaßlich um Geldwäsche-Anzeigen zu vermeiden.

Bei dem Vertrieb von Briefkastenfirmen fällt Finanzinstituten offenbar eine Schlüsselrolle zu. Den Unterlagen zufolge haben mehr als 500 Banken in den vergangenen Jahren mithilfe von "Mossack Fonseca" über 15.000 Briefkastenfirmen an ihre Kunden vermittelt. Die meisten Firmen wurden dabei nach 2005 aufgesetzt. Eine besonders große Rolle spielten dabei die Großbanken HSBC und UBS, die gemeinsam mehr als 3400 Firmen vermittelt haben. Sprecher beider Banken erklärten dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ), dass man diese Geschäftspraxis mittlerweile geändert habe.

"Wichtiger Beitrag zum weltweiten Wirtschaftsverkehr"

In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte "Mossack Fonseca", dass man lediglich "bei der Anmeldung von Gesellschaften" helfe. Geschäftsbeziehungen unterliegen demnach "einem sorgfältigen internen Prüfverfahren (…). Dabei handeln wir im Einklang mit Recht und Gesetz", schreibt die Kanzlei weiter. Dass Briefkastenfirmen angeboten werden, sei "zu 100 Prozent legal und leistet einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Wirtschaftsverkehr."

Islands Premier Gunnlaugsson erklärte, die Firma sei kein Geheimnis gewesen, und er habe sich nichts vorzuwerfen. Steuerlich sei die Firma immer deklariert gewesen. Seine Frau sagte, die Bank habe einen Fehler gemacht und die Firma hätte eigentlich allein ihr, nicht ihrem Mann gehören sollen. Ein Sprecher von Petro Poroschenko erklärte, dessen Firma hätte mit politischen Vorgängen in der Ukraine nichts zu tun und sei Teil einer Restrukturierung von unternehmerischen Tätigkeiten. Poroschenko habe die Firma nicht deklariert, weil sie bislang keine Werte verwaltet habe.

Kreml: Eine "Informationsattacke" auf Russland

Der ukrainische Ex-Premier Pawlo Lasarenko, Pakistans Premier Nawaz Sharif, Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev, und der Assad-Cousin Rami Makhlouf ließen jeweils alle Fragen unbeantwortet. Auch Lionel Messi wollte sich nicht äußern.

Sergej Roldugin reagierte auf schriftliche Anfragen nicht. Auch Putin beantwortete keine Fragen. Ein Sprecher des Kremls erklärte aber bereits vor den Veröffentlichungen, bei den Recherchen handele es sich um eine "Informationsattacke" auf Russland und seinen Präsidenten.