Viktor Orban steht vor den zwölf Sternen der EU.

Ungarn und die EU Was tun mit Viktor Orban?

Stand: 08.04.2018 03:14 Uhr

Die Parteifamilie von CDU/CSU im EU-Parlament wird oft dafür kritisiert, mit den Abgeordneten von Orbans EU-kritischer Partei gemeinsame Sache zu machen. Ein CSU-Abgeordneter erklärt, warum.

Die Liste der Demütigungen, die der ungarische Regierungschef Viktor Orban der Europäischen Union zugefügt hat, ist lang: Er organisierte eine Posterkampagne mit dem Titel "Lasst uns Brüssel stoppen!" Er errichtete einen von der EU-Kommission heftig kritisierten Grenzzaun - nur um dann von ebendieser EU-Kommission Geld für den "Schutz der EU-Außengrenze" zu verlangen.

"Wünsche mir, dass Orban wieder gewählt wird"

Überhaupt liegt Orban sowohl mit Brüssel als auch mit Berlin in der Flüchtlingsfrage völlig über Kreuz: "Wir glauben, dass Migration gefährlich für die öffentliche Sicherheit ist, für unseren Sozialstaat und die christliche Kultur", schimpfte Orban erst kürzlich wieder. In Brüssel quittiert man dessen Politik mit mehr als nur einem Kopfschütteln: Nicht nur, aber auch wegen der Weigerung, sich an der Flüchtlingsverteilung zu beteiligen, hat die EU-Kommission Budapest verklagt.

Manfred Weber von der CSU, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament.

CSU-Politiker Manfred Weber ist Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament. Er wünscht sich einen Wahlsieg Orbans.

Gleichzeitig ist auch klar: Die ungarische Regierungspartei Fidesz sitzt im EU-Parlament Seite an Seite mit den Abgeordneten etwa von CDU und CSU, weil die gemeinsam eine Fraktion bilden: "Ich wünsche mir, dass Orban wieder gewählt wird," sagt Manfred Weber, der Chef der EVP-Fraktion, im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel: "Orban ist Teil der Europäischen Volkspartei. Er ist kein einfacher Partner, aber er gehört zu unserer Parteienfamilie und deswegen wünsche ich mir seinen Erfolg."

"Eine rein wahltaktische Entscheidung"

In dieser EVP-Fraktion sitzen sowohl CDU/CSU-Parlamentarier als auch die Fidesz-Leute. Dass dies so ist und wohl vorerst auch bleiben wird, hat trotz aller Querelen seinen Grund, erklärt der EU-Kenner Andreas Maurer von der Uni Innsbruck. Man wolle die durchaus beträchtliche Zahl an Abgeordneten nicht verlieren: "Das ist eine rein wahltaktische Entscheidung nach dem Motto: 'Wir wollen stärkste Fraktion sein und kaufen uns ein, was da kommt - auch wenn die Leute da nicht reinpassen", sagt Politikwissenschaftler Maurer im ARD-Interview.

"Wenn das weiter verfolgt wird, fliegst du aus der EVP"

CSU-Politiker Weber kennt die Forderungen zur Genüge, man hätte die Fidesz-Leute längst aus der Parteienfamilie werfen müssen, auch aus den eigenen Reihen übrigens.

Sein Gegenargument: Orban und seine Parteifreunde würden zwar provozieren, Grenzen testen und diese auch mal überschreiten, sich aber letztlich dann doch stets an alle Regelungen halten, zu denen man sie verdonnert: "Beispielsweise als er vor einigen Jahren formulierte hat, dass er die Todesstrafe wieder einführen will. Da haben wir gesagt, wenn das weiter verfolgt wird, fliegst du aus der EVP. Er hat es dann nicht weiter verfolgt," sagt Weber.

Es scheint also, als hätten sich die Konservativen im EU-Parlament eher für die Umarmungs- als für die Kaltstell-Taktik entschieden. Was Brüssel betrifft, so sucht man mit Budapest verzweifelt Anknüpfungspunkte, wo es nur geht. Man findet sie unter anderem bei einer Stärkung der EU-Verteidigungs-Union, was beide wollen.

EU-Austrittsgedanken unwahrscheinlich

Klar ist auch: Auf die Idee, die EU zu verlassen, dürfte Orban so schnell nicht kommen. Dafür ist er wirtschaftlich und finanziell zu sehr von ihr abhängig. Noch völlig unklar ist allerdings, wie mit Ungarn ein Kompromiss in der Frage der Migration und der Flüchtlingsverteilung aussehen soll, der bis Juni gefunden sein soll, richtete Orbán seinen gesamten Wahlkampf doch darauf aus, die Grenzen für die angeblich so gefährlichen 'Fremden' zu verschließen. Dass er von dieser Haltung abrückt, dafür gibt es nicht das geringste Anzeichen.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. April 2018 um 12:26 Uhr.