Ein Schwein schaut auf einem Bauernhof durch die Gitterstäbe des Geheges.

Niederlande Wenn Bauern umsatteln

Stand: 20.01.2020 16:34 Uhr

Pflege statt Schweinezucht: In den Niederlanden finanziert die Regierung Landwirten den Ausstieg aus der Schweinezucht. Denn es gibt zu viele Höfe und Tiere, und das drückt auf die Umweltbilanz.

Von Ludger Kazmierczak, Den Haag

Eric Reijrink füttert die Schweine. Erst vor acht Jahren hat er für seine 2000 Tiere einen Mega-Stall bauen lassen. Doch schon bald sollen die Bagger anrücken, um die Halle abzureißen. Nach mehr als zwanzig Jahren gibt die Familie ihren landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe von Tilburg auf - mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagt Reijrink: "Ich werde das bestimmt vermissen, aber ich denke, dass das, was danach kommt, noch viel schöner ist."

Was danach kommt, zeigt Erics Frau Chantalle auf einem Faltplan, den sie auf dem Küchentisch ausgebreitet hat. Die Reijrinks machen aus ihrem Agrarbetrieb eine Pflegeeinrichtung für Senioren und hilfsbedürftige Menschen - eine "zorgboerderij": einen Pflege-Bauernhof.

Landhäuser statt Schweinestall

"Hier steht zur Zeit noch der große Schweinestall, 100 Meter lang. Der kommt weg", erklärt Chantalle Reijrink. "Und ein Stück weiter bauen wir dann ein großes Gebäude, in dem wir ganzheitliche Pflege anbieten mit 60 Appartments." Als Gegenleistung dafür, dass die Reijrinks 15 Hektar Fläche der Natur zurückgeben, dürfen sie pro fünf Hektar kleine Landhäuser bauen: "Die sind für Behinderte vorgesehen, die besondere Pflege in Anspruch nehmen", so Chantalle.

Die Reijrinks beteiligen sich an einem Regierungsprogramm, das Landwirte animieren soll, ihre Betriebe zu schließen. Das Angebot richtet sich vor allem an Bauern in den ländlichen Regionen im Osten des Landes. Hier ist die Dichte an Höfen und Tieren besonders hoch. Und viel Landwirtschaft bedeute zugleich viel CO2, Stickstoff und Nitrat, sagt Eric Stiphout vom Produzentenverband der Schweinehalter. Er erklärt, welche Landwirte damit rechnen können, für die Aufgabe ihrer Höfe finanziell belohnt zu werden:

Der Staat schaut zuerst auf dein Ranking. Es hängt also davon ab, wo du in der Rangliste in punkto Geruchsbelästigung stehst. Platt formuliert: Wenn du mehr stinkst als ein anderer, dann kletterst du in der Tabelle nach oben und hast größere Chancen, dazuzugehören. Wenn dein Betrieb nur wenig Geruch verursacht, dann ist die Chance groß, dass du außen vor bleibst.
Trecker auf einem Feld

Trecker auf einem Feld

"Schweinezucht ist nicht sonderlich populär"

Die Reijrinks rechnen mit etwa 700.000 Euro an Ausgleichszahlungen, die sie dann in den Umbau zur Pflegeeinrichtung investieren wollen. Schon seit fünf Jahren bietet die Familie aus Diessen in Brabant Tagespflegeplätze an. Dieses Angebot auszubauen, ergebe Sinn, sagt Chantalle Reijrink:

"Wir wollen aus mehreren Gründen aufhören: Zum einen ist die Schweinezucht eh eine schwierige Branche und in der Bevölkerung nicht sonderlich populär. Zum anderen kümmere ich mich sehr gerne um Menschen. Das gilt für unsere ganze Familie." Auch die Söhne wollten das später fortsetzen. "Das hätten sie mit der Landwirtschaft nicht gemacht. Und unsere Nachbarschaft, ja das ganze Dorf begrüßt eigentlich unsere Idee."

180 Millionen Euro für die Aussteiger

Bis Ende vergangener Woche konnten sich die niederländischen Landwirte um eine Teilnahme an dem Regierungsprogramm bewerben. Statt der erwarteten 300 Betriebe haben sich mehr als 500 gemeldet. In den kommenden Wochen, so Eric Stiphout, dürfen sie mit Post aus Den Haag rechnen: "Abhängig von der Anzahl an Tieren, die du hast, und vom Alter deiner Ställe, macht der Staat dir ein konkretes Angebot, wieviel du bekommst, wenn du den Betrieb aufgibst." Dieses Angebot gehe noch im Frühjahr raus, so Stiphout. "Und dazu sagst du dann Ja oder Nein." Danach fließe der erste Vorschuss, und Anfang nächsten Jahres müsse der Hof dann geräumt sein. Denn das sei die Voraussetzung, dass der Betrieb wirklich aufhöre.

180 Millionen Euro legte die Regierung für ihr Ausstiegsprogramm zur Seite. Eine Summe, die angesichts der großen Nachfrage wohl aufgestockt werden muss. Die Reijrinks gehen fest davon aus, dass sie eine Zusage bekommen. Noch in diesem Jahr wollen sie mit dem Umbau vom Schweinezuchtbetrieb zur Pflegeeinrichtung beginnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Januar 2020 um 15:30 Uhr.