Vor der EU-Erweiterung Streit um Subventionen und Übergangsregeln

Stand: 30.08.2007 02:51 Uhr

Die Erweiterung rückt näher, bei den Verhandlungen geht es jetzt ans Kleingedruckte - und schon wird gestritten. Vor allem die milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft erhitzen die Gemüter. Kann es sich eine EU mit 25 oder mehr Mitgliedern leisten, das bestehende System zu erhalten?

"Historischer Moment", "einmalige Chance", "Europa wächst zusammen" - noch vor wenigen Jahren waren solche Äußerungen häufiger zu hören, wenn es um die Ost-Erweiterung der EU ging. Doch inzwischen sind die Verhandlungen beim Kleingedruckten angelangt - und die überschwänglichen Töne von einst weichen immer häufiger kleinen und größeren Streitereien. In den alten EU-Staaten regt sich Widerstand: Mehr zahlen, weniger zurückbekommen? Und auch bei den Neuen gärt es. "Wir schwanken zwischen Freude und Ungewissheit", brachte es ein tschechischer Politiker vor kurzem vor dem Straßburger Parlament auf den Punkt.

Gezerre um die Agrarbeihilfen

In der EU sind die umstrittenen Agrarsubventionen das alles beherrschende Streitthema. Die milliardenschweren Zahlungen an die Bauern sind längst aus dem Ruder gelaufen. Allein in diesem Jahr fließen mehr als 40 Milliarden Euro in die europäische Landwirtschaft - fast die Hälfte des gesamten EU-Haushalts.

Wegen der hohen Kosten und unterschiedlicher nationaler Interessen haben sich die Subventionen an die Landwirte schon lange zu einem Krisenherd der Gemeinschaft entwickelt. Doch statt das umstrittene System im Zuge der Erweiterung zu reformieren, dürfen sich nun auch die Bauern in den Beitrittsländern an Absatzgarantien und Mindestpreise gewöhnen - wenn auch langsam.

Die Neuen sollen nicht sofort in vollem Umfang von den Zahlungen profitieren. Sie erhalten, so hat es der Brüsseler Gipfel beschlossen, ab 2004 ein Viertel des jetzigen EU-Niveaus an Suventionen. Der Anteil soll schrittweise steigen und bis 2013 an das in den Alt-Mitgliedsstaaten geltende Niveau angeglichen werden. Die Entscheidung, das alte System zu erhalten, bringt ganz nebenbei ein anderes Problem mit sich: Über eine Reform müssen später nicht mehr 15 sondern 25 oder mehr Länder abstimmen.

EU-Bürger zweiter Klasse?

Auf Seiten der Beitrittsländer macht sich inzwischen ebenfalls Unmut breit. Das Gezänk um die Agrarhilfen wird mit Skepsis betrachtet. Wenn die Brüsseler Beschlüsse tatsächlich so umgesetzt würden wie geplant, dann, so warnte der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz in der "Zeit", "würde Polen im kommenden Jahr mehr in den EU-Agrartopf einzahlen als herausbekommen". 

Die Neuen fürchten, durch langjährige Übergangsregelungen benachteiligt zu werden. "Sie dürfen in den Klub, Mitgliedsbeiträge zahlen, die Regeln beachten - aber das Schwimmbad nicht benutzen", kommentierte die International Herald Tribune. Und der frühere tschechische Ministerpräsident Vaclav Havel warnte bereits davor, die Neuen als "Bürger zweiter Klasse" zu behandeln.

Übergangsregelungen auch in anderen Bereichen

Übergangsregelungen sind nicht nur in der Agrarpolitik angekündigt. Stichwort: Personenfreizügigkeit - ein Kernelement des europäischen Binnenmarktes. Hier geht es um die Frage, ab wann die Arbeitsmärkte der bisherigen Mitglieder für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten offen sind.

Deutschland gehörte zu den Staaten, die sich für die nun vereinbarte Übergangsfrist von sieben Jahren stark machten. Die Bundesregierung fürchtet, dass Deutschland aufgrund der räumlichen Nähe zum  ersten Ziel vieler Migranten aus den östlichen EU-Staaten wird. Deshalb soll, so wünscht es sich Berlin -  erst ab 2010 die vollständige Personenfreizügigkeit gelten. Dann nämlich - so sagen es die Statistiker voraus - besteht auch auf dem heimischen Markt wieder Bedarf an Zuwanderung.

Dabei sollte es die EU eigentlich besser wissen. Als 1986 Spanien und Portugal - mit einem Lohn- und Gehaltsgefälle vergleichbar dem der jetzigen Beitrittsländer - zur Gemeinschaft stießen, fürchteten die alten Mitglieder ebenfalls die billigen Arbeitskräfte aus dem Süden. Die erwarteten Probleme blieben jedoch weitgehend aus. Auch damals galt eine Übergangsfrist von sieben Jahren - wirklich nötig war sie nicht.

Andrea Krüger, tagesschau.de