Hintergrund

Hintergrund Erdbeben-Spalte unterm AKW Kaschiwazaki

Stand: 22.10.2015 14:19 Uhr

Die größte Atomanlage der Welt steht möglicherweise direkt auf einer Erdbebenspalte. Ein Sprecher des japanischen Energiekonzerns Tepco, der die sieben Reaktoren in Kaschiwazaki betreibt, erklärte, dass die tektonische Störungszone nun direkt unter der Atomanlage verlaufe. Das hätte eine erste Analyse der Daten mehrerer Nachbeben ergeben.

Von Martin Fritz, ARD-Hörfunkkorrespondent Tokio

Das Epizentrum des Erdbebens am 16. Juli 2007 lag in 17 Kilometern Tiefe unter dem Meeresboden, neun Kilometer nordwestlich des an der Küste liegenden Reaktorkomplexes. Die dazu gehörige tektonische Linie soll sich dabei bis unter das Kraftwerk ausgedehnt haben. Die gesamte Erdbebenzone erstreckt sich von Niigata bis nach Kobe, wo vor zwölf Jahren bei einem Erdbeben mehr als 6000 Menschen starben.

All dies könnte bedeuten, dass die sieben Reaktoren von Kaschiwazaki mit einer Gesamtleistung von mehr als 8000 Megawatt nie mehr in Betrieb genommen werden dürfen. Zu dieser Spekulation wollte sich die japanische Agentur für nukleare Sicherheit heute allerdings nicht äußern. Ihr Vize-Direktor Akira Fukuschima erklärte in Tokio: “Wir haben letztes Jahr neue Richtlinien für die Erdbebensicherheit von Atomkraftwerken erlassen. Die Kraftwerksbetreiber überprüfen gerade, ob die alten Kernkraftwerke den neuen Anforderungen genügen. Erst wenn wir diese Informationen haben, werden wir entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.“

AKWs überstehen Erdbeben nur bis 6,5 unbeschadet

Japanische Kernkraftwerke wurden bisher so gebaut, dass sie Erdbeben bis zur Stärke 6,5 auf der Richterskala unbeschadet überstehen. Doch das Erdbeben vom 16. Juli hatte eine Stärke von 6,8 auf der Richterskala. Die zusätzlichen 0,3 Punkte bedeuten, dass die Stärke zweieinhalb Mal höher war, als es die Konstruktion der Kraftwerke erlaubt. Auch zwei andere Beben, die sich in letzter Zeit in der Nähe von Kernkraftwerken ereigneten, waren stärker als 6,5 gewesen. Deshalb hatte die Regierung bereits im vergangenen Herbst für neue Atommeiler höhere Sicherheitsstandards vorgeschrieben.

13 neue Atommeiler geplant

Doch auch nach den Schäden im Kernkraftwerk Kaschiwazaki ist bisher nicht zu erkennen, dass die japanische Regierung die Nutzung der Atomkraft grundsätzlich in Frage stellt. Nach den USA und Frankreich ist Japan der drittgrößte Hersteller von Atomstrom. Kürzlich wurde eine Wiederaufarbeitungsanlage in Betrieb genommen. Japan baut einen "Schnellen Brüter" und will in den nächsten zehn Jahren 13 neue Atomkraftwerke errichten, zwei davon sind bereits in Bau.

Die Industrie arbeitet an einer neuen Kraftwerksgeneration, die weniger Uran verbrauchen und weniger Müll erzeugen soll. Die Regierung sieht die Nukleartechnik als Weg, um die Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern und weniger Klimagase zu produzieren. Man ist auch davon überzeugt, dass eine Industrienation die Nukleartechnik wegen ihrer wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung nicht aufgeben dürfe.

Selbstkontrolle mit gemischten Ergebnissen

Beim Betrieb der Atommeiler setzt die Regierung bisher auf die Selbstkontrolle der Betreiber - allerdings mit gemischten Ergebnissen: Der Energiekonzern Tepco hatte jahrelang Unfälle verschwiegen und Reparaturen verschoben. Von den landesweit 55 Atommeilern sind wegen Störfällen und Sicherheitschecks derzeit 18 abgeschaltet.