Kims Hollywood Die Traumfabrik von Pjöngjang

Stand: 14.05.2006 19:21 Uhr

Auch Nordkorea, der wohl der am meisten abgeschottete Staat der Welt, hat eine eigene Filmindustrie. Doch das "Hollywood von Pjöngjang" produziert für den heimischen Markt nur Streifen, die vom Propagandaapparat des Regimes bestellt wurden. Ausländische Auftraggeber können aber gegen harte Devisen selbst bestimmen, was für sie gefilmt werden soll.

Von Mario Schmidt, ARD-Studio Tokio

Die Ausflugsgruppe kriegt sich kaum noch ein. Mütze, falscher Bart und Schal - sie verkleiden sich und spielen Touristen in einer chinesischen Straße. Eine ungewohnte Rolle, denn normale Nordkoreaner dürfen ihr Land nicht verlassen. Um hierher zukommen, mussten sie aber nicht weit reisen. Sie besuchen die Filmstudios von Pjöngjang. Wir fragen nach ihren Lieblingsfilmen. Eine Besucherin verrät: "Meiner heißt 'Stern Koreas'. Am Beispiel der Kommunisten der 20-er Jahre können wir in dem Film nämlich lernen, mit welch großer Liebe wir unsere Führer verehren sollen."

Kim Il-sung ist überall

In Nordkoreas Hollywood lächeln am Eingang keine Schauspieler, stattdessen grüßt der tote Staatsgründer Kim Il-sung. Keine Traumfabrik - hier entstehen die Propagandafilme für den unfassbaren Führerkult. Mittendrin der Superstar noch einmal in Bronze. Nur ein anderer steht noch im nordkoreanischen Rampenlicht. Sein Sohn Kim Jong-il hat schon ein eigenes Museum.

Requisiten werden zu Reliquien

Als sein Vater noch herrschte, war Kim Jong-il oft bei Dreharbeiten in den Studios. Was seine Hand berührte oder arrangierte, ist heute heilig und wird ausgestellt -Essensrequisiten aus Plastik zum Beispiel. Für eine Stadtaufnahme hat er 1968 diese Kamera in Position gebracht - 150 Meter hoch, auf dem Fernsehturm, beim roten Dreieck, da hat er gestanden. "Der Kameramann hatte Höhenangst", berichtet die propagandageschulte Museumsführerin. "Deshalb ist unser großer General Kim Jong-il selbst auf den Turm gestiegen und hat ihn unterstützt. Wir haben da gespürt, dass wir dem großen General und seinen Lehren immer folgen müssen."

11.890 Instruktionen für den richtigen Weg

In einem Studio wird ein neuer Spielfilm vertont. 20 sollen es pro Jahr sein, doch Nordkorea hat kein Geld, deshalb sind es wohl weniger. Moderne Kampfszenen, aber hier sind alle Filme Propagandawerke mit immer gleichen Inhalten: In diesem Film bietet der Held japanischen Kolonialherren die Stirn - wie der frühere Widerstandskämpfer Kim Il-sung. Alles wird glorifiziert, Fakten werden beliebig verdreht. Die Schauspieler sagen, was das Regime diktiert - und meistens traut man seinen Ohren nicht. Kim Jong-il, so erfahren wir, habe den Künstlern schon durch genau 11.890 Instruktionen den richtigen Weg gewiesen. Die Schauspielerin Kim Hye-gyong erzählt, wie sie seine Regiearbeit erlebt hat: "Kim Jong-il ist ein Genie der Kunst, ganz einfach. Und durch unseren neuen Film sollen die Zuschauer verstehen, dass die Geschichte eines Volkes nur mit den richtigen Führern glänzen kann."

Wenig los in "Hollywood"

Außer der Gruppe, die sich gerne verkleidet, sehen wir kaum andere Besucher, dabei sollen angeblich 10.000 jeden Tag kommen. Das Interesse an den Studios scheint nicht sehr groß zu sein, auch wenn das niemand sagen darf. Die japanische Kolonialzeit-Kulisse der Kolonialzeit ist menschenleer. Kim Man Sok, einer der Verantwortlichen, erklärt uns, dass Kim Jong-il jedes Drehbuch, jeden Film persönlich genehmigt: "Filme sind bei uns keine Ware wie im Ausland. Die Zuschauer sollen nach dem Vorbild der Helden leben und arbeiten. Die Filme müssen die Situation des Volkes widerspiegeln und zeigen, dass wir um unseren General Kim Jong-il ein blühendes sozialistisches Land aufbauen. "

Harte Propagandakost für das Volk

Mit der Wirklichkeit Nordkoreas hat das nichts zu tun: Nahrungsknappheit, Energiemangel, alles marode. Die Hauptstadt des von der Außenwelt abgeschotteten Reiches wirkt selbst wie eine Filmkulisse. Kein ausländisches Fernsehen, nie Julia Roberts, nie Tom Cruise. Nur die kleine Elite kauft echte Hollywoodfilme in China. Kim Jong-il soll Tausende Videos haben und James Bond mögen. Sein Volk bekommt heimische Propagandakost, etwa über das angeblich glückliche Leben im Sozialismus. Dabei können nicht einmal die Kinos richtig bespielt werden. So ist auch das Kino in der Hauptstadt geschlossen. Warum, erfahren wir nicht. Vielleicht fehlen Ersatzteile oder es gibt keinen Strom. Im Fernsehen laufen die Filme dafür rauf und runter.

Andere Regeln für Auslandsproduktionen

Doch in Korea wird auch fürs Ausland produziert – erfolgreich, trotz schwieriger Arbeitsbedingungen mit ständigen Stromausfällen und schwarzen Bildschirmen. "Kim Jong-il ist die Sonne des 21. Jahrhunderts", steht über dem Gebäude des nordkoreanischen SEK-Trickfilmstudios, davor läuft in einem alten Bus ein Stromgenerator. Die beiden Führer blicken wie überall von der Wand. Kurze Zwangspause, dann laufen die Computer wieder. Hohe Qualität, niedrige Gehälter, das lockt Auftraggeber aus Frankreich, Italien und auch aus Deutschland. Das Regime verdient mit den Produktionen mehrere Millionen Euro im Jahr.

Eichhörnchen und Igel metzeln im Panzer

Aber für nordkoreanische Kinder werden solche Filme nicht gemacht. Ri Song Hyok von den SEK-Trickfilmstudios erklärt, worauf es bei den Eigenproduktionen ankommt: "In den Filmen fürs Inland geht es um die Verteidigung des Landes und des Sozialismus. Wir legen großen Wert auf die moralische Erziehung von Kindern. Die Filme helfen ihnen beim Lernen." In der Militärdiktatur Nordkorea rollen daher Panzer für die Kinder – wie in dem Klassiker "Eichhörnchen und Igel". Fremde Mächte wollen das Land der tapferen Helden überfallen: Eine Kinderwelt mit Spionen, Gemetzeln und Nahkampf.