John Dalli (Archivbild 2014)

Maltas Ex-EU-Kommissar Dalli Der Tabak und die Millionen

Stand: 19.10.2017 09:11 Uhr

Betrug und Korruption auf Malta - die hatte die ermordete Journalistin Galizia im Blick. Ein besonderes Augenmerk richtete sie auch auf den Ex-EU-Kommissar Dalli, der wegen Bestechlichkeit aus der Kommission flog und nun offenbar Schutz von ganz oben genießt.

Von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel

Bestimmte Fragen beantwortet John Dalli nicht gern, der ehemalige EU-Kommissar aus Malta, über dessen Betrugsfonds und Opfer die "New York Times" vor vier Monaten eine lange Geschichte veröffentlichte. Laut Recherchen der ermordeten Polit-Bloggerin Daphne Caruana Galizia wird Dalli von Maltas Premier Joseph Muscat vor den Nachforschungen des FBI und auch vor Ermittlungsverfahren durch maltesische Strafverfolger geschützt. Muscat soll kurzerhand einen Polizeioffizier abgesetzt haben, der den ehemaligen EU-Kommissar in Untersuchungshaft nehmen wollte.

Die Journalistin Daphne Caruana Galizia im Jahr 2011

Die ermordete maltesische Bloggerin und Journalistin Galizia hatte zu Dalli recherchiert.

Bestechung und Betrug

Im Oktober 2012 gab es eine Premiere in der Geschichte der Europäischen Union: Er sei zum Rücktritt gezwungen worden, betonte damals der Malteser Dalli vor der internationalen Presse in Brüssel. Ohne Vorwarnung habe ihn der damalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor die Alternative gestellt, entweder zurückzutreten oder entlassen zu werden.

Zum ersten Mal in der Geschichte der EU wird ein EU-Kommissar zum Rücktritt gezwungen - wegen massiven Korruptionsverdachts. Angeblich ging es um 60 Millionen Euro Bestechungsgeld. Das soll Dalli vor fünf Jahren von Schwedens Tabakproduzenten Swedish Match gefordert haben. Im Gegenzug soll der damalige EU-Gesundheitskommissar Dalli angeboten haben, den Entwurf der europäischen Tabakrichtlinie umzuschreiben. Er selbst bestreitet die Vorwürfe.

"Wo ich nicht gewollt werde, bleibe ich nicht"

Konkret ging es um Snus, das der schwedische Tabakkonzern in der gesamten EU vermarkten wollte. Snus sind kleine Lutschtabakpäckchen, die unter die Oberlippe geschoben werden. Dalli sollte die EU-Tabakrichtlinie so bearbeiten, dass Snus nicht nur auf Schweden begrenzt bleibt. Zu diesem Ermittlungsergebnis kam jedenfalls die EU-Anti-Betrugsbehörde OLAF. Dalli habe die erhoffte Richtlinienänderung aber nicht auf den Weg gebracht. Deshalb zeigte ihn der verärgerte Swedish-Match-Konzern bei der EU-Kommission an.

Dalli erklärte daraufhin am 16. Oktober 2012 mündlich seinen Rücktritt. "Wo ich nicht gewollt werde, da bleibe ich nicht", sagt er noch am selben Abend im maltesischen Rundfunk. Seine schriftliche Rücktrittserklärung habe er allerdings niemals bei der EU-Kommission eingereicht. Vor dem Europäischen Gericht klagte der Malteser anschließend gegen die Kommission, weil sie ihn regelrecht aus dem Amt gedrängt habe. Das Gericht wies die Klage ab.

Schutz von ganz oben

Auf seinen Kommissionsjob war Dalli sowieso sehr schnell nicht mehr angewiesen. Maltas Premier Muscat ernannte ihn zu seinem Berater für das öffentliche Gesundheitswesen. Und offenbar schützte er ihn: FBI-Anfragen zu Dallis betrügerischen Anlagegeschäften werden laut der "New York Times" von den maltesischen Behörden abgeblockt.

Doch jetzt, nachdem Dallis Gegnerin und Polit-Bloggerin Galizia in die Luft gesprengt wurde, stehen die maltesischen Behörden - einschließlich des maltesischen Premiers - weltweit unter nie gekanntem Auskunftsdruck.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 19. Oktober 2017 um 06:51 Uhr.