
Nach Brand in London Evakuierung ohne Vorwarnung
Stand: 24.06.2017 16:31 Uhr
In London sind vier Hochhäuser geräumt worden, die eine ähnliche Fassadendämmung besitzen sollen wie der zerstörte Grenfell Tower. Von den Maßnahmen sind rund 4000 Menschen betroffen. Viele finden die Evakuierung überstürzt.
Von Thomas Spickhofen, ARD-Studio London
Der Aufruf kam ohne Vorwarnung, die Bewohner hatten kaum Zeit, ein paar Sachen zusammenzupacken. Er wolle nicht gehen, sagte ein Betroffener. Er fühle sich schlecht dabei, einfach so seine Wohnung zu verlassen.
Ein anderer meinte: "Es musste eine Reaktion der Verwaltung geben, sie musste zeigen, dass sie etwas tut." Aber das schaffe doch nur Chaos und Durcheinander. Das sei doch alles überstürzt, fügte er hinzu.
4000 Menschen müssen Wohnungen verlassen
650 Wohnungen wurden in der Nacht evakuiert, sagte eine Sprecherin der lokalen Verwaltung in Camden. Rund 4000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, da die Bewohner dort nicht mehr sicher seien. Die betroffenen Menschen wurden in Hotels und in einem Freizeitzentrum in der Nähe untergebracht, oder sie haben Verwandte und Freunde aufgesucht. 83 Bewohner haben sich den Angaben zufolge allerdings auch geweigert, ihre Wohnung zu verlassen.
Heute und morgen sollen die Anwohner die Möglichkeit haben, in Begleitung von Feuerwehrleuten persönliche Gegenstände aus den Gebäuden zu bringen.
An den vier Hochhäusern sollen ähnliche Fassadenverkleidungen wie am Grenfell-Tower verwendet worden sein, sie sollen auch von derselben Firma vor einigen Jahren renoviert worden sein. Zunächst war von fünf geräumten Gebäuden berichtet worden, in einem kleineren Hochhaus durften die Bewohner jedoch bleiben.
Sicherheit nicht garantiert
Georgia Gould von der Stadtteilverwaltung sagt, sie habe die Dämmung und die Außenverkleidung überprüfen lassen und sich die Sorgen der Anwohner angehört. Am Ende hätten die Fachleute gesagt, sie könnten die Sicherheit der Menschen in den Wohnblocks nicht garantieren.
Sie habe deshalb die schwierige Entscheidung getroffen, die Häuser zu evakuieren, während die dringendsten Sicherheitsarbeiten vorgenommen werden. Durch den Brand im Grenfell-Tower habe sich alles geändert und man wolle kein Risiko eingehen, die Sicherheit der Bewohner stehe an erster Stelle. Es müssten dringend Arbeiten an der Außenverkleidung vorgenommen werden, außerdem gebe es Bedenken wegen der Isolierung von Gasleitungen und fehlenden Brandschutz-Türen.
Die betroffenen Hochhäuser waren vor sieben und elf Jahren von derselben Firma renoviert worden wie auch der Grenfell-Tower.
Räumung von Hochhäusern nach Brandkatastrophe
tagesthemen 21:35 Uhr, 24.06.2017, Julie Kurz, ARD London
Dauer der Maßnahme ungewiss
Wie lange die Bewohner anderswo unterkommen müssen, kann im Moment niemand sagen. Die Sicherheits-Checks und mögliche Verbesserungen sollen nach Angaben der Sprecherin drei bis vier Wochen dauern.
Scotland Yard bestätigte mittlerweile, dass der Brand am vergangenen Mittwoch von einer schadhaften Kühl-Gefrier-Kombination ausgegangen ist. Derzeit werde untersucht, warum sich das Feuer so schnell ausbreitete, sagt Polizeisprecherin Fiona McCormack. Bei einem Test habe die Gebäudeverkleidung bereits nach kurzer Zeit zu brennen begonnen. Die innen liegende Dämmung sei brennbarer als die Außenplatten gewesen.
Es werde jetzt geprüft, ob die Verwendung des Materials illegal gewesen sei, außerdem erwäge man Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung, sagt McCormack.
Zahl der Toten könnte erheblich steigen
Die Sprecherin von Scotland Yard geht von mindestens 79 Toten aus, diese Zahl könne aber noch erheblich ansteigen. Die Suche in dem Gebäude werde möglicherweise noch bis zum Jahresende dauern.
Nach Angaben der britischen Regierung sind bereits an 27 Hochhäusern in Großbritannien leicht entflammbare Außenfassaden entdeckt worden. Premierministerin Theresa May hatte angekündigt, dass täglich etwa 100 Hochhäuser überprüft werden.
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