EU-Vetreter besuchen Lampedusa Guter Wille, wenig Konkretes

Stand: 09.10.2013 15:27 Uhr

Er wolle Solidarität zeigen, hatte EU-Kommissionspräsident Barroso vor seinem Besuch auf Lampedusa angekündigt. 30 Millionen Euro Flüchtlingshilfe will die EU zahlen. Grundlegende Veränderungen in der EU-Flüchtlingspolitik wird es nicht geben

Kein freundlicher Empfang war das für EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Italiens Regierungschef Enrico Letta. Am kleinen Flughafen von Lampedusa gab es gleich nach der Landung Protestchöre, Basta-Rufe und Beschimpfungen: "Vergogna", auf Deutsch "Schande" war ein Wort, das nach der Landung besonders häufig zu hören war.

Auf dem Flughafen wurden die Besucher gleich heftig mit dem Unglück konfrontiert, dass sich in der vergangenen Woche ereignet hatte: In einem Hangar stehen die inzwischen fast 300 Särge mit den Todesopfern, die in den vergangenen Tagen geborgen wurden.

Die Menschen auf Lampedusa sind verzweifelt

Die Menschen auf Lampedusa sind verzweifelt - nicht nur wegen der Toten, die man geborgen hat, sondern auch wegen der vielen, die lebend hier angekommen sind. Eine Inselbewohnerin bringt es auf den Punkt: "Es ist unhaltbar geworden. Im Flüchtlingslager sind die Lebensbedingungen nicht zu ertragen", sagt sie. "Nicht einmal Obdachlose leben so! Und das Schlimmste: Es sind so viele Kinder darunter! So viele Kinder! Warum bringen sie nicht wenigstens die weg?" Und fügt hinzu: "Wir können nichts machen. Wir können nur schreien. Die Stimme ist alles, was wir haben."

Das ist kein Heimspiel für die Delegation, aber Barroso ließ zuerst über den Nachrichtendienst Twitter verbreiten, man sei hier, um Solidarität zu zeigen durch konkrete Handlungen. Nichts anderes war auf Lampedusa erwartet worden. Bürgermeisterin Giusi Nicolini hatte schon vor ein paar Tagen gesagt: "Wenn sie kommen, nur um ihr Beileid auszudrücken, dann können sie einfach auch nur eine E-Mail schreiben."

Und dann, bei  einem Besuch im völlig überfüllten Flüchtlingslager der Insel, wurde es tatsächlich konkret - dort sprachen die Politiker unter anderem mit Überlebenden der Katastrophe der vergangenen Woche. Enrico Letta, Italiens Regierungs-Chef, will daraus Konsequenzen ziehen: "Heute starten wir von vorn", sagte Letta. "Das ist unser Kampf in Europa, zusammen mit der europäischen Kommission, um die Aufmerksamkeit, die dieses große Thema in Europa bekommt, zu verändern. Das ist ein europäisches Thema, ein globales Thema, vielleicht wichtiger als alles andere."

Letta will, dass sich Europa den Themen Flüchtlingsströme und Migration besser annimmt als bisher. Schon Ende des Monats soll sich ein EU-Gipfel damit beschäftigen. Italien will seine EU-Ratspräsidentschaft ab Mitte 2014 dazu nutzen, etwas voran zu bringen.

Auch EU-Kommissionspräsident Barroso kam nicht mit leeren Händen. Italien soll noch in diesem Jahr 30 Millionen zusätzlich von der EU bekommen, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. "Wir sind heute hergekommen, um zu sagen, dass Europa den Menschen von Lampedusa beisteht", sagt er auf Lampedusa. "Ich glaube, dass wir alle zusammen auf Tragödien wie diese angemessener reagieren können. Europa kann sich nicht umdrehen."  

Jan-Christoph Kitzler, J.-C. Kitzler, ARD Rom, 09.10.2013 14:56 Uhr

Die Menschen auf Lampedusa sind diese Ankündigungen europäischer Lösungen leid, denn die Erfahrung der vergangenen Jahre ist, dass sich die Staaten im Zweifelsfall nur einig darin sind, dass sie sich nicht einig sind. Auf Lampedusa machte sich rund um diesen Besuch deshalb auch Wut breit.

"Sie haben ganze Kontinente kaputt gemacht. Sie beuten das Volk aus, sie beuten das Land aus. Und dann kommen sie und weinen", heißt es von Einwohnern. "Sie müssten sich schämen! Das erste, was sie machen müssen, ist, einen humanitären Korridor einrichten! Alle europäischen Staaten setzen sich zusammen und entscheiden, wie viele Menschen sie aufnehmen können. Danach fahren sie mit ihren Schiffen direkt nach Libyen und holen sie ab."

Eine konkrete Ankündigung immerhin gab es heute, die schon sehr bald umgesetzt wird: Die mehr als 280 Todesopfer der Flüchtlingskatastrophe der vergangenen Woche sollen ein Staatsbegräbnis bekommen. Den übrigen Tausenden, die auf dem Weg über das Mittelmeer ums Leben gekommen sind, nützt das nichts mehr.