Interview

Finanzministerin Lagarde zu neuer Strategie "Die G20 müssen sich neu beweisen"

Stand: 18.02.2011 19:11 Uhr

Die G20-Gruppe steht weiter vor großen Herausforderungen. Unter dem Vorsitz Frankreichs beraten die Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer seit heute über ihre Strategie. Vorab sprach Michael Strempel für tagesschau.de mit Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde.

In Paris sind die G20-Finanzminister zusammengekommen, um über die Pläne für die kommenden Monate zu sprechen. Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde sagte im Gespräch mit tagesschau.de vorab, besonders in der Finanzkrise habe sich das Bündnis der G20 bewährt. In den vergangenen zwei Jahren sei es gelungen, gegen den Protektionismus zu kämpfen, das Wachstum anzukurbeln und das Finanzsystem zu erneuern und zu regulieren. Nun sei man dabei, aus der Krise herauszukommen. "Jetzt müssen die G20 den Beweis erbringen, dass sie weiterhin Probleme lösen können. Dann werden sie bestehen bleiben, andernfalls werden sie verschwinden", sagte Lagarde.

Regulierung der Finanzmärkte soll fortgesetzt werden

Frankreich habe sich drei ehrgeizige Projekte für die G20 vorgenommen: die Verbesserung des internationalen Währungssystems, der Kampf gegen Preisschwankungen bei Rohstoffen und eine bessere Koordination der Wirtschaftspolitik weltweit. So sei geplant, die Regulierung der Finanzmärkte voranzutreiben. Man brauche einen Rahmen für ein nachhaltiges, solides und ausgeprägtes Wachstum, sagte Lagarde. Zudem forderte die Ministerin konkrete Maßnahmen gegen Spekulationen im Zusammenhang mit Rohstoffen: Gegen Spekulationen brauche man mehr Transparenz und neue Regeln, sagte Lagarde. Neue Spielregeln sollten Auswüchse und Spekulationsblasen im Zusammenhang mit Rohstoffen in Zukunft vermeiden.

Frankreichs Ziel: das "zivilisierte Internet"

Ein weiteres Ziel sei das sogenannte "zivilisierte Internet": Im Internet werde bislang sehr wenig reguliert, kritisierte Lagarde. "Es gibt kaum einen Schutz der individuellen Rechte der Internetnutzer. Es gibt zum Beispiel zu wenige Vorschriften darüber, wann und wie Daten gelöscht werden sollen." Es sei wünschenswert, das Speichern von Daten besser regulieren und kontrollieren zu können.

Der Kriminalität im Internet sagte sie den Kampf an und nannte Delikte wie Organhandel, Handel mit gefälschter Ware oder gestohlener Ware: "Es ist notwendig, die Internetanbieter in einen Dialog mit den wichtigen Kontrollbehörden zu bringen. Nur so kann man herausfinden, wie man diese neuen Handels- und Kommunikationswege besser organisiert, um Auswüchse und Missbräuche künftig auszuschließen."  

Wer sind die G20?

Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.

Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.

Das Interview führte Michael Strempel, WDR