Griechenland-Streit spaltet Berlin und Paris Die Angst vor dem Riss

Stand: 12.07.2015 15:25 Uhr

Wie weiter mit Griechenland? Diese Frage spaltet Europa. Tiefe Risse zeigen sich auch zwischen den beiden Euro-Schwergewichten Deutschland und Frankreich. Das hat viel mit unterschiedlichen finanzpolitischen Sichtweisen zu tun - und ein bisschen auch mit Innenpolitik.

Von Wenke Börnsen, tagesschau.de

Grexit, Grexit light, Schuldenschnitt, ein drittes Hilfsprogramm - der Streit über den weiteren Umgang mit Griechenland spaltet Europa. Hier die Nord- und Osteuropäer, die für eine harte Linie stehen, dort die südeuropäischen Länder, die für mehr Nachgiebigkeit gegenüber dem überschuldeten Euroland plädieren. Lagerbildung in Europa.

Auch die beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland und Frankreich, sprechen beim Thema Griechenland nicht mit einer Stimme. Je intensiver über neue Hilfen oder einen möglichen Staatsbankrott Griechenlands diskutiert wird, desto mehr Risse zeigen sich zwischen Berlin und Paris - zumindest was die Taktik gegenüber der Regierung in Athen angeht. Auf der Sitzung der Euro-Finanzminister in Brüssel wird dies gerade sehr deutlich.

"Wenn Deutschland es auf einen Grexit anlegt, provoziert es einen tiefgreifenden Konflikt mit Frankreich. Das wäre eine Katastrophe für Europa", warnt denn auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn in der "Süddeutschen Zeitung". Eine Spaltung der EU in Nord und Süd müsse unbedingt verhindert werden. Die Verantwortung Deutschlands sei "riesig", sagte Asselborn. "Es geht jetzt darum, nicht die Gespenster der Vergangenheit heraufzubeschwören."

Ein französischer Regierungsvertreter spielte den Konflikt sogleich herunter. "Es gibt keine Angst vor einer Spaltung und wir werden einen starken Zusammenhalt finden", sagte er.

Gegenspieler: Sapin und Schäuble

Frankreich und Deutschland sind die mächtigsten Player in der EU. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Frankreichs Präsident François Hollande betonen immer wieder, wie wichtig und eng die deutsch-französische Absprache gerade in der Griechenland-Krise ist. Doch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin und sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble sind tief zerstritten.

Sapin ist dafür, jetzt endlich den Startschuss für die Verhandlungen für ein drittes Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM zu geben. Kein Wunder, haben doch französische Berater der Regierung in Athen bei der Ausarbeitung der jüngsten Reformvorschläge geholfen.

Schon nach Tsipras' Wahlsieg im Januar hatte Hollande die Rolle eines Vermittlers eingenommen, der zwischen den von Sparvorgaben ermüdeten Griechen auf der einen Seite und den auf weitere Sparmaßnahmen pochenden Deutschen und anderen Euroländern auf der anderen Seite einen Kompromiss finden wollte. Aus der Vermittlerrolle wurde nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern und dem Nein der Griechen beim Referendum dann die Rolle des Feuerwehrmanns.

Schäuble dagegen befindet sich im Mehrheitslager der Euroländer, die von Griechenland zuvor noch mehr Reformzusagen und Garantien wollen - und notfalls eben auch einen Austritt Griechenlands in Kauf nehmen würden.

Paris hat mit Staatsschulden weniger Probleme

In der Debatte zeigen sich die unterschiedlichen finanzpolitische Sichtweisen. Frankreich hat schon angesichts seiner wachsenden Bevölkerung und einer eher interventionistischen Wirtschaftspolitik weniger Probleme mit Staatsschulden. In Deutschland brüstet sich die Große Koalition damit, dass sie das zweite Mal in Folge für den Bund die "schwarze Null" einhält, also ohne Neuverschuldung auskommt.

Die nationalen Zustimmungsverfahren über Griechenland-Hilfen unterscheiden sich ebenfalls. Hollande hat kein Problem, weitere Hilfen durch das Parlament zu bekommen, das ohnehin nur schwache Zustimmungsrechte hat. Druck bekommt Hollande allerdings von seinem eigenen linken Lager, das ihn zu Solidarität mit den Griechen drängt. Allerdings wachsen die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen weitere Finanzhilfen für Athen - auch befeuert vom rechtsextremen Front National.

Unionskritiker bremsen Merkel und Schäuble

Anders in Deutschland: Hier sorgte der Bundestag schon bei früheren Hilfspaketen dafür, dass der Bundesregierung zunehmend Grenzen gesetzt werden. Da ein neues Programm nur vom Euro-Rettungsschirm ESM kommen kann, gelten dessen verschärfte Regeln: Merkel und Schäuble müssen sich vom Bundestag ein Mandat geben lassen, dass sie überhaupt über ein ESM-Paket verhandelt dürfen. Da es vor allem in der eigenen Unionsfraktion eine wachsende Zahl von Kritikern gibt, müssen Merkel und Schäuble nachweisen, sehr hart verhandelt zu haben.

Gefährdet die Griechenland-Krise also die deutsch-französische Freundschaft? So weit ist es wohl noch nicht, aber in Paris und Berlin ist man sich des Risikos sicher bewusst. Wohl auch deshalb trafen sich Merkel und Hollande am Nachmittag vor dem Euro-Gipfel zu Beratungen. Beide stimmen sich routinemäßig vor Gipfeln der Staats- und Regierungschefs ab. Alles wie immer also, so die Botschaft.

(mit Material von Reuters, afp)