Karte: Spanien mit Katalonien
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Fragen und Antworten Was käme nach einer Unabhängigkeit?

Stand: 10.10.2017 16:05 Uhr

Die Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens ist verschoben. Abgewendet ist sie allerdings nicht. Welche Folgen hätte eine Unabhängigkeitserklärung? Was würde der Schritt für die Wirtschaft bedeuten? Und wie reagiert das Ausland? Ein Überblick.

Was würde auf eine mögliche Unabhängigkeitserklärung in Katalonien folgen?

Die Regionalregierung hat sich einiges vorgenommen. Das Abspaltungsgesetz, das im September vom katalanischen Parlament verabschiedet wurde, sieht vor, dass innerhalb eines Jahres - nach einer möglichen Unabhängigkeitserklärung - eine eigene Verfassung ausgearbeitet und Parlamentswahlen durchgeführt werden müssen. Doch das sind langfristige Aufgaben. Zunächst müsste eine Republik Katalonien sicherstellen, dass sie überhaupt staatlich handlungsfähig ist.

Das fängt bei vermeintlich kleinen Dingen an. So müssten etwa Millionen neue Pässe gedruckt werden, womöglich auch Geldscheine für eine neue Währung. Ob schon das organisatorisch gelingen kann, ist nicht klar. Denn es ist unklar, ob sich etwa der Verwaltungsapparat der Region und die katalanische Polizei einer dann unabhängigen provisorischen Regierung unterstellen würden.

Schließlich hat das spanische Verfassungsgericht das katalanische Abspaltungsgesetz außer Kraft gesetzt. Auch die Zentralregierung in Madrid sieht eine mögliche Unabhängigkeitserklärung als illegal an. "Die Regierung in Barcelona glaubt, der Abspaltungsprozess würde einfach werden", sagt Sabine Riedel von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu tagesschau.de. "Doch die Zentralregierung wird den Katalanen kaum die Spielräume zugestehen, die sie bräuchten, um schnell einen funktionierenden Staat aufzubauen."

Wie würde Madrid reagieren?

Die spanische Regierung hat bereits angekündigt, eine Unabhängigkeitserklärung nicht tatenlos hinnehmen zu wollen. Man werde "alle zur Verfügung stehenden Mittel" einsetzen, um eine Abspaltung zu verhindern, kündigte etwa Justizminister Rafael Catalá an.

In der Praxis könnte das bedeuten, dass Madrid den Artikel 155 der spanischen Verfassung aktiviert. Dieser erlaubt es der Zentralregierung in Regionen einzugreifen, wenn die dortigen Regierungen gegen die Verfassung verstoßen. Faktisch würde das wohl bedeuten, dass die katalanische Regierung abgesetzt und die Region übergangsweise aus Madrid verwaltet wird, bis Neuwahlen in Katalonien angesetzt werden. Damit würde auch die katalanische Polizei spanischer Kontrolle unterstellt. Auch für den derzeitigen Regierungschef der Region könnte es ungemütlich werden. Die Generalstaatsanwaltschaft schließt nicht aus, Carles Puigdemont im Falle einer Unabhängigkeitserklärung festzunehmen.

Könnte Katalonien in der Europäischen Union bleiben?

Das ist rechtlich nicht geklärt. In den EU-Verträgen ist die Abspaltung eines Teils eines Mitgliedstaats nicht geregelt. Die Gemeinschaft betonte in der Vergangenheit jedoch immer wieder, dass die Unabhängigkeit von einem EU-Mitglied auch das Ausscheiden aus der Gemeinschaft nach sich zöge.

Dies leitet die EU-Kommission aus der sogenannten "Prodi-Doktrin" von 2004 ab, benannt nach dem damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi. Dieser hatte erklärt, dass ein Gebiet, das sich von einem Mitgliedsland abspalte, fortan ein "Drittstaat" sei. Die europäischen Verträge würden von diesem Zeitpunkt an "auf seinem Gebiet keine Anwendung mehr finden". Diese Position wiederholte Brüssel auch, als die Schotten über eine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abstimmten.

Auch eine schnelle Wiederaufnahme Kataloniens in die Gemeinschaft ist eher unwahrscheinlich. Zwar dürfte die Region zahlreiche Beitrittskriterien erfüllen, neue Mitglieder werden allerdings erst nach einem einstimmigen Beschluss in die Gemeinschaft aufgenommen. Ein Wiedereintritt könnte also schon durch Spanien blockiert werden, das wohl kein Interesse daran hätte, den Katalanen das Leben leichter zu machen. Auch andere Mitgliedsstaaten könnten sich querstellen. Schließlich gibt es auch anderswo in Europa separatistische Bewegungen, die durch ein erfolgreiches Katalonien durchaus Zulauf erhalten können. Das wollen die Regierungen der Nationalstaaten um jeden Preis verhindern.

Welche Folgen hätte eine Unabhängigkeitserklärung für die katalanische Wirtschaft?

Schon das Spekulieren über eine Abspaltung von Spanien hat Auswirkungen auf die Wirtschaft in Katalonien. So haben die ersten Unternehmen ihren Hauptsitz bereits aus der Region abgezogen. Die Zentralregierung hilft dabei, indem sie die bürokratischen Hürden für solche Verlegungen absenkt.

Trotzdem ist der Umzug für die Unternehmen mit hohen Kosten verbunden. "Diese werden aber in Kauf genommen", so SWP-Expertin Riedel, "denn die Firmen sehen die mögliche Rechtsunsicherheit nach einer Unabhängigkeitserklärung als noch größeres Risiko an." Riedel erwartet, dass sich die Firmenabwanderung aus der Region noch beschleunigen wird, sollte Katalonien tatsächlich irgendwann seine Unabhängigkeit erklären.

Auf den katalanischen Staatshaushalt dürften zudem weitere Probleme zukommen. Zwar ist die Region die reichste in Spanien, allerdings ist sie auch die am höchsten verschuldete. "Katalonien ist seit fünf Jahren auf Mittel aus einem nationalen Rettungsfonds der Zentralregierung angewiesen, um seine Schulden zu bedienen", sagt SWP-Expertin Riedel. Seit 2012 fließen jährlich zwischen acht und zehn Milliarden Euro zusätzlich in den Haushalt, zuletzt noch im Sommer dieses Jahres.

Überhaupt könnte in Katalonien bald das Geld knapp werden - und zwar auch physisch. Sollte Katalonien wie erwartet durch die Abspaltung auch aus der Europäischen Union fliegen, verlässt die Region faktisch auch die Eurozone.

Das heißt nicht notwendigerweise, dass Katalonien den Euro als Zahlungsmittel aufgeben müsste. Schließlich wird in manchen Ländern mit der Gemeinschaftswährung gezahlt, obwohl sie nicht Mitglied in der EU sind. Doch die spanische Zentralregierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um zu verhindern, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Katalonien entgegenkommt. "Barcelona würde wohl kein Geld mehr von der EZB bekommen", so Riedel. Also müsste eine neue Währung her. Wie stark diese jedoch sein würde, ist völlig offen.

Wer würde ein unabhängiges Katalonien anerkennen?

Vor allem Separatisten in anderen europäischen Staaten. So forderte die Schottische Nationalpartei (SNP) bereits, das Ergebnis des Referendums anzuerkennen. Auch in anderen Regionen beobachtet man die Entwicklungen auf der iberischen Halbinsel mit Spannung. Von den Regierungen anderer Nationalstaaten hingegen dürfen sich die Katalanen keine Unterstützung erwarten. "Der Kampf um Anerkennung ist lang", so Riedel. "Die internationale Staatengemeinschaft würde eine Republik Katalonien nicht mit offenen Armen empfangen."

Das zeigt schon ein Blick auf den bislang letzten Staat, der sich erfolgreich für unabhängig erklärt hat: den Kosovo. Bis heute erkennen große Teile der Staatengemeinschaft die Balkanrepublik nicht an - darunter Schwergewichte wie Russland, Brasilien, Indien und China. Auch mehrere EU-Staaten verweigern dem Land die Anerkennung. Zum Beispiel Spanien.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Oktober 2017 um 14:00 Uhr.