Jean-Claude Juncker

Rede im Europaparlament Juncker will Abschiebungen erleichtern

Stand: 12.09.2018 10:27 Uhr

Migranten ohne Anspruch auf Asyl rascher abschieben und zugleich legale Wege der Einwanderung schaffen - dafür hat sich EU-Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur "Lage der Union" ausgesprochen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat angesichts des Streits in der EU-Migrationspolitik auf rasche Lösungen gepocht. "Wir können nicht bei der Ankunft jedes neuen Schiffes über Adhoc-Lösungen diskutieren", sagte Juncker bei seiner Rede "zur Lage der Europäischen Union" im Europaparlament in Straßburg.

Die EU-Staaten bräuchten stärkere Unterstützung bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Migranten ohne Asylanspruch müssten schneller abgeschoben werden. Die Grenzschutzagentur Frontex solle gestärkt und die Zahl der europäischen Grenzschutzbeamten bis 2020 auf 10.000 erhöht werden. Zudem kündigte er einen Gesetzesvorschlag zum Ausbau der EU-Asylagentur an.

Binnengrenzen wären "Rückschritt"

Gleichzeitig forderte Juncker legale Einwanderungswege für Migranten nach Europa. Einige EU-Staaten kontrollieren derzeit wegen aus ihrer Sicht erhöhter Terrorgefahr beziehungsweise verstärkter Migration im eigentlich kontrollfreien Schengen-Raum Binnengrenzen. Durch die Wartezeiten entstehen unter anderem wirtschaftliche Schäden. "Ich bin und bleibe gegen Binnengrenzen", sagte Juncker. Diese müssen dort, wo es sie inzwischen gibt, abgeschafft werden. Andernfalls wäre dies ein Rückschritt für Europa.

"Die EU ist ein Friedensgarant"

Die EU forderte er mit Blick auf den befürchteten großen Angriff der syrischen Armee auf die Rebellenhochburg Idlib zu mehr Engagement auf. Die Union müsse den Blick darauf richten, "was um uns herum geschieht". Die Situation in Idlib gebe Anlass zu größter Sorge. "Die Welt von heute braucht ein starkes und geeintes Europa", sagte Juncker.

Angesichts des Erstarkens europafeindlicher Kräfte drängte der EU-Kommissionschef darauf, die Rolle der EU als Friedensgarant zu schützen. "Wir sollten der EU mehr Wertschätzung entgegenbringen, ihr Ansehen schützen. Die EU ist ein Garant des Friedens." Man müsse jedoch wachsam bleiben. "Sagen wir ja zu einem Patriotismus, der sich nicht gegen andere richtet." Nationalismus, mit dem Hass gesät werde, und der nur nach Schuldigen suche, ermögliche hingegen kein besseres Zusammenleben.

Stimmrechte notfalls entziehen

Juncker stellte sich hinter die Eröffnung von Verfahren gegen Mitgliedsländer bei Verstößen gegen die Prinzipien des Rechtsstaates. "Artikel 7 muss dort, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist, Anwendung finden", sagte er. Gegen Polen läuft bereits ein solches Verfahren, an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte für das betroffene Land im EU-Rat stehen kann. Das EU-Parlament hat jetzt ein solches Verfahren auch gegen Ungarn auf den Weg gebracht. Dafür stimmte im Anschluss an Junckers Rede eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten.

Nicht mehr alles einstimmig entscheiden

Um die Union handlungsfähiger zu machen, sollten bestimmte Entscheidungen nach dem Willen Junckers künftig nicht mehr einstimmig getroffen werden müssen. In der Außenpolitik und bei bestimmten Steuerfragen sollten die EU-Staaten künftig stattdessen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, sagte er. Bislang gilt etwa bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder beim Thema Steuern die Einstimmigkeit. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass die EU sich wegen der Blockade einzelner Staaten international nicht positionieren kann oder einzelne Gesetzesvorschläge Monate und Jahre nicht beschlossen werden.

Zeitumstellung soll ab 2019 freiwillig werden

Juncker kündigte die Abschaffung der Zeitumstellung für das kommende Jahr an. Die Europäer würden nicht zufrieden sein, wenn aufgrund europäischer Regulierungen weiterhin zwei Mal im Jahr die Zeit umgestellt würde, sagte er. Die Entscheidung, ob sie die Sommer- oder die Winterzeit behalten wollen, sollen die Mitgliedsstaaten demnach selbst treffen.

Die Kommission veröffentlichte einen konkreten Vorschlag, wie die Abschaffung der Zeitumstellung funktionieren soll. Demnach würden am 31. März 2019 das letzte Mal die Uhren in den EU-Staaten verpflichtend umgestellt. Beim nächsten Termin, dem 27. Oktober 2019, wäre die Zeitumstellung für die Mitgliedstaaten freiwillig. Danach soll es keine weiteren Umstellungen zwischen Sommer- und Winterzeit geben.

Wohl Junckers letzte große Rede

Juncker stellt in seiner jährlichen Rede zur Lage der EU vor dem EU-Parlamentsplenum traditionell seine Prioritäten für das kommende Jahr vor und zieht Bilanz zum Zustand der EU. Das Mandat der EU-Kommission endet im kommenden Jahr, im Mai stehen richtungsweisende Europawahlen an. Für Juncker dürfte es daher eine seiner letzten großen Reden im Parlament sein.

Holger Romann, Holger Romann, WDR Brüssel, 12.09.2018 12:22 Uhr