Japanische Flagge im Hafen von Tokio

Freihandelsabkommen JEFTA Dann eben mit Japan

Stand: 17.07.2018 15:37 Uhr

Mit den USA ist es derzeit schwierig - umso enger sollen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Japan werden: Heute soll der lange ausgehandelte Freihandelspakt unterzeichnet werden.

Wenn es mit den Amerikanern nicht klappt, dann eben mit Japan und seinen 127 Millionen Einwohnern: Das wirtschaftsstarke Land gilt inzwischen als einer der verlässlichsten wirtschaftlichen Partner. Ein Freihandelsabkommen soll das jetzt unterstreichen. Heute wird es unterzeichnet, 2019 soll es wirksam werden. Für EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ist es "die größte bilaterale Handelspartnerschaft, die jemals von der Europäischen Union ausgehandelt wurde". 

Schon bisher ist das Handelsvolumen beachtlich: Japan war 2017 mit einem Handelsvolumen von rund 129 Milliarden Euro der sechstgrößte Handelspartner der EU - nach den USA, China, der Schweiz, Russland und der Türkei. Dabei gibt es noch einen leichten Überschuss Japans: Das Land exportierte Güter im Wert von knapp 69 Milliarden Euro nach Europa. Die EU exportierte Waren im Wert von rund 60 Milliarden Euro nach Japan. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erwartet, dass es in den kommenden Jahren mit den EU-Japan-Exporten steil bergauf geht: 99 Prozent der Zölle werden gestrichen, wenn das Abkommen in Kraft tritt.

Manche Zölle entfallen komplett

Insgesamt beziffert die EU die Einsparungen für EU-Exporteure auf rund eine Milliarde Euro pro Jahr. Vor allem für die Agrar- und Lebensmittelindustrie soll das Abkommen neue Absatzchancen bieten: 85 Prozent der EU-Agrarexporte gehen bald zollfrei nach Japan. Fleischprodukte werden billiger, bei Rindfleisch sinkt der Zollsatz schrittweise über 15 Jahre von 38,5 auf neun Prozent. Auf EU-Wein fallen bisher 15 Prozent Zoll an, in Zukunft gibt es hier keinen Zoll mehr. Bei Hartkäse wie Cheddar entfällt Zoll ebenfalls komplett - bisher waren es fast 30 Prozent.

Bisher war der japanische Markt fast abgeschottet. Jetzt gibt es EU-Marktzugänge, die europäische Produkte in japanischen Supermärkten deutlich billiger und attraktiver machen sollen. Die EU-Kommission wartet schon mit Tabellen auf: bis zu einem Viertel mehr Exporte nach Japan. Die Ausfuhren von verarbeiteten Lebensmitteln wie Fleisch- und Milchprodukten in das asiatische Land sollen sich nach EU-Berechnungen schon bald um 180 Prozent erhöhen. Bei Chemieprodukten erwartet Brüssel ein Exportplus von bis zu 22 Prozent. Japan erkennt auch 200 geografische Produktbezeichnungen an: "Parmesan" oder "irischer Whiskey" können nicht einfach als japanische Billigkopie im Regal landen. 

Ein japanischer Landwirt pflanzt Reis-Setzlinge in einem Feld in der Präfektur Saitama.

Bisher schottet Japan seine Landwirtschaft gegen die Konkurrenz aus der EU ab. Bei Produkten wie Reis geht es dabei nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern auch um Identität und Psycholgie.

Mehrere Punkte umstritten

Ein heikles Kapitel sind die Dienstleistungen. Wenn es um Telekommunikation, öffentliche Dienste oder Finanzdienstleistungen geht, sollen EU- und japanische Unternehmen in den beiden Märkten gleichberechtigt agieren und miteinander konkurrieren können. Bald könnte es also sein, dass ein japanisches Bahnunternehmen auch Regionalzüge in Deutschland oder Spanien fahren lässt - und umgekehrt.

In Deutschland gibt es hier große Ängste: Japanische Unternehmen könnten sich am Ende auch europäische Wasserwerke kaufen, die jetzt noch in kommunaler Hand sind: "Keine Regierung wird zur Privatisierung oder Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen auf nationaler oder lokaler Ebene gezwungen", erklärt EU-Handelskommissarin Malmström.

Umstritten sind auch noch andere Punkte. Die Verbraucherorganisation "Foodwatch" sieht Nachteile bei der geplanten Angleichung von Normen. "Das könnte am Ende dazu führen, dass Umwelt- und Verbraucherschutzstandards nicht mehr verbessert werden können, weil sie auf dem bisherigen Status festgeschrieben werden", warnte "Foodwatch"-Chef Thilo Bode.

Die Umweltorganisation BUND sieht das sogenannte "Vorsorgeprinzip" in Gefahr, also der Grundsatz, lieber zu früh als zu spät einzugreifen, um Schäden zu verhindern. Dieser EU-Rechtsgrundsatz erlaubt Verkaufsverbote und Rückrufe von Produkten auch dann, wenn wissenschaftliche Daten keine umfassende Risikobewertung zulassen. "Diese Ängste sind unbegründet", sagte dagegen EU-Handelskommissarin Malmström. "Das Vorsorgeprinzip ist Teil des EU-Rechts und bleibt in vollem Umfang gültig."

Abkommen soll nicht an Einzelfragen scheitern

Obwohl es sich um das größte Abkommen dieser Art handelt, das die EU jemals erarbeitet hat, gibt es noch offene Fragen, wenn es um abschließende Entscheidungsfindung geht. Nationale Parlamente sollen über das Abkommen nicht abstimmen: "Als reiner Handelspakt fällt es in die EU-Kompetenz, und umstrittene Dinge wie Schiedsgerichte sind hier nicht enthalten", erklärte eine EU-Sprecherin. Nur das Europaparlament soll das Abkommen nach der Unterzeichnung billigen.

Nationale Parlamente sind aber nicht ganz außen vor. Wenn es um das Geld der Mitgliedstaaten geht, müssen auch die Parlamente zustimmen. Aber der sogenannte "Investitionsteil", um den es hier geht, wurde ausgekoppelt und extra behandelt - um an Einzelfragen nicht das gesamte Freihandelsabkommen scheitern zu lassen. Insofern hat man aus dem Tauziehen um das Freihandelsabkommen mit Kanada gelernt. Das Abkommen mit Japan dürfte dann auch pünktlich im kommenden Jahr an den Start gehen.

Andreas Meyer-Feist, Andreas Meyer-Feist, HR Brüssel, 17.07.2018 07:24 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 17. Juli 2018 um 06:15 Uhr.