Hintergrund

Wie die Islamisten ihr Kalifat organisieren IS-Barbarei - modern strukturiert

Stand: 01.12.2015 11:33 Uhr

Worauf muss sich die Bundeswehr in Syrien einstellen? Anders als noch vor Monaten bewegen sich die IS-Terroristen vorsichtiger - in Autos statt Pick-ups mit wehenden Fahnen. Ihre Angriffe starten sie, wenn die Gegner am Boden bleiben müssen.

Sie köpfen, kreuzigen, verbrennen ihre Gegner. Sie versklaven Frauen, lassen selbst kleine Kinder Massenhinrichtungen ausführen. Barbarisch sind die Methoden des "Islamischen Staates". Doch gleichzeitig herrscht im Terror-Kalifat auch Ordnung.

Der IS habe eine sehr gut organisierte, tatsächlich nahezu staatliche Struktur, sagen Experten. Vorbei sind die Zeiten, in denen radikale Islamisten aus Höhlen und Bergverstecken operiert haben. Der IS führt für seine Selbstmordattentäter Personalakten.

Sozialleistungen für Witwen

Von den Witwen und Waisen der vermeintlichen "Märtyrer" existiert ein Telefonverzeichnis. Die Angehörigen erhalten regelmäßig Sozialleistungen. Sogar Heiratsbeihilfen sind möglich. All das ist belegt, seitdem irakische Sicherheitsbehörden im Juni vergangenen Jahres die Kommandozentrale von Abdel Rahman al-Bilawy stürmte. Er war bis dahin quasi der Kriegsminister des "Islamischen Staates" - der zweite Mann gleich hinter dem Anführer und obersten Befehlshaber Abu Bakr al-Bagdadi.

Bei der Razzia wurde al-Bilawy getötet. Die Informationen, die man auf seinem PC und auf USB-Sticks fand, gaben einen tiefen Einblick in die Strukturen der Terrororganisation.

Länderfinanzausgleich und pünktliche Gehälter

So ist für die Finanzen im IS eine eigene Haushaltskommission zuständig. Zwischen den neun Provinzen des Kalifats soll es sogar eine Art Länderfinanzausgleich geben. Allein der Handel mit gestohlenen Kulturgütern soll der Terrormiliz nach Angaben des irakischen Ministers für Altertümer mehr als sechs Milliarden US-Dollar eingebracht haben. Hinzu kommen die Einnahmen durch den Verkauf von Öl, durch Steuern, Schutz- und Lösegelder.

Absolut pünktlich zahlt der IS damit jeden Monat seinen Kämpfern die Gehälter. Als "Arbeitgeber" ist die Terrororganisation zuverlässig. Das Kalifat hat funktionierende Verwaltungsämter, eine Müllabfuhr und eine eigene Verkehrspolizei. Es herrscht Ordnung bei den Massenmördern.

Taxen statt wehende Fahnen auf Pick-ups

Für die Kriegsführung ist im IS der Militärrat zuständig. Er besteht aus neun bis dreizehn Mitgliedern, sogenannten Kaata-Führern. "Kaata", aus dem Arabischen zu übersetzen mit "das scharfe Schwert", nennt der IS seine Kampfeinheiten. Sie wiederum sind in kleinere Brigaden unterteilt, denen jeweils 300 bis 350 Männer angehören sollen. Es kursieren unterschiedliche Schätzungen darüber, wie viele Kämpfer der IS im Irak und in Syrien insgesamt hat. Der amerikanische Geheimdienst CIA vermutet etwa 31.000.

Aber nicht die Zahl, sondern die Flexibilität dieser Kämpfer ist das Problem. Noch vor wenigen Monaten waren die Terrormilizen in großen Konvois, mit Panzern, Pick-ups und wehenden schwarzen Fahnen unterwegs. Inzwischen rücken die Kämpfer unauffälliger vor. Um den Luftangriffen der internationalen Koalition keine Ziele zu bieten, fahren sie mit Taxis und Privatwagen, mischen sich unter die Zivilisten. Aus der Luft kann man solche Gegner nur schwer schlagen.

Attacken während des Sandsturms

Und noch schlimmer: Diese Gegner sind zu allem bereit. Selbstmordattentäter sprengen sich den Weg frei. Die Eroberung vieler Orte begann damit, dass mit Sprengstoff vollgepackte Lastwagen in Absperrungen rasten. Schon mehrfach griffen IS-Brigaden während eines Sandsturms an, als die internationalen Kampfjets am Boden bleiben mussten.

Und wo die Extremisten dann einfallen, hinterlassen sie verbrannte Erde. Sie verüben Massaker und drehen noch Videos davon, dank der Medien-Abteilung des IS sind die schon wenig später online. Das Grauen ist perfekt organisiert.  

Cornelia Wegerhoff, C. Wegerhoff, ARD Kairo, 01.12.2015 11:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 30. November 2015 um 22:44 Uhr im Deutschlandradio Kultur.