Interview

Beziehungen zwischen den USA und dem Iran "Es geht um die Aufgabe eines Feindbildes"

Stand: 21.03.2009 10:17 Uhr

US-Präsident Obama hat Teheran einen Neuanfang in den Beziehungen vorgeschlagen. Wie wird der Iran reagieren? Zurückhaltend, meint ARD-Hörfunkkorrespondent Pick im tagesschau.de-Interview. Schließlich gehe es "um nichts weniger als die Aufgabe eines Feindbildes".

US-Präsident Obama hat Teheran einen Neuanfang in den Beziehungen beider Länder vorgeschlagen. Wie wird der Iran reagieren? Zurückhaltend, meint ARD-Hörfunkkorrespondent Ulrich Pick im tagesschau.de-Interview. Schließlich gehe es "um nichts weniger als die Aufgabe eines Feindbildes".

tagesschau.de: Welche Reaktionen sind nach Obamas Vorstoß aus dem Iran zu erwarten?

Ulrich Pick: Die eigentliche Positionierung des Iran wird wohl erst im Frühherbst erfolgen. Denn wir haben ja im Juni die Präsidentschaftswahl und der neue Präsident wird erst im August ins neue Amt eingeführt. Solange wird sich der Iran meiner Ansicht nach noch Zeit lassen. Denn es geht ja um nichts weniger als um die Aufgabe eines Feindbildes, das man drei Jahrzehnte gut gepflegt hat und aus dem man auch die eigene Legitimation zog. Bei den Hardlinern wird Obamas Initiative für eine Menge Unruhe sorgen. Und diese Unruhe will man vorerst nicht zeigen.

tagesschau.de: Was wird die Führung also tun?

Pick: Ich gehe davon aus, dass hin und wieder eine Stellungnahme nach außen gebracht wird, in der man sich bereit zeigt, auf die Amerikaner zuzugehen, gleichzeitig jedoch ein "aber" einflicht und von den Amerikanern Taten einfordert. Der Iran fühlt sich von den USA seit langem nicht gebührend respektiert. Was übrigens auch stimmt: Die Amerikaner haben lange gewisse Initiativen des Iran nicht goutiert. Beispielweise geht ja die Initiative der Nordallianz in Afghanistan - also die Gruppe, die später mit den USA die Taliban zurückgedrängt haben - auf iranisches Engagement zurück. Das ist nie gewürdigt worden.

"80 Prozent der Iraner für gute Beziehungen"

tagesschau.de: Wie schätzen Sie die Haltung der Bevölkerung in dieser Frage ein?  

Pick: Die Bevölkerung ist etwa zu zwei Dritteln kritisch gegenüber dem eigenen Regime eingestellt. Aber auch kritisch gegenüber den USA. Sicherlich wollen 80 Prozent der Iraner gute Beziehungen zu den USA haben. Gleichzeitig aber sagt man: Wir sind Iraner, wir wollen eine Politik nach unserem frei gewählten Willen.

tagesschau.de: Gibt es einen Obama-Faktor?

Pick: Ja. Denn die Hardliner im Iran stehen nun kräftig unter Zugzwang. Und deswegen ist das eine ganz wichtige Initiative von Obama, weil er damit den Iran drängt, sich zu bewegen, die eigene Position zu überdenken. Und das ist bitter nötig. Denn der Iran sorgt ja an einigen Ecken des Nahen Osten durchaus für Unruhe und stärkt die Gegenposition zu den USA.

Wirtschaftliche Misere 

tagesschau.de: Würde denn nicht auch der Iran von einem Ende der Feindschaft profitieren?

Pick: Iran hat zweierlei von einem Ende der Feindschaft zu erwarten: Zum einen politisch: Dann würde der Iran in seiner wahren Größe dastehen, als wirkliche Regionalmacht. Das allerdings sehen die Israelis ganz und gar ungern. Und wirtschaftlich steht dem Iran mit einem Ende der Feindschaft die ganze Welt offen. Iran hat die zweitgrößten Gasvorräte der Erde und die viertgrößten Erdölvorräte, die man aber aufgrund der Wirtschaftslage und der Sanktionen gar nicht in vollem Umfang erschließen kann. Das größte Problem des Landes ist die desolate wirtschaftliche Situation. Wir haben eine Arbeitslosigkeit von 30 Prozent, eine Inflation von mehr als 20 Prozent. 20 Prozent der Menschen im Iran leben unterhalb der Armutsgrenze - mit steigender Tendenz. All das beschäftigt die Leute mehr als alles andere.

Lösung auch im Atom-Streit?

tagesschau.de: Steht der Streit ums Irans Atomprogramm nicht weiterhin unlösbar zwischen den beiden Staaten?

Pick: Dieser Konflikt ist insoweit nicht lösbar, wenn man erwartet, dass Iran sein Atomprogramm aufgibt. Der Iran verweist - und das mit Recht - immer wieder auf den Atomwaffensperrvertrag und sagt: Wir verstoßen gegen keine internationalen Abmachungen. Solange wir nicht den Beweis erbracht haben, dass der Iran sein Atomprogramm tatsächlich für militärische Zwecke benutzen will, kann Teheran auch weiter so argumentieren. Aus meiner Sicht muss ich sagen: Wir leben auch damit, dass Pakistan die Atombombe hat. Pakistan hat ganz stark die Taliban genährt und ist meiner Ansicht nach ein noch viel gefährlicheres Land als der Iran. Insoweit muss sich der Westen mit dem iranischen Atomprogramm arrangieren. Es wäre allerdings fatal, wenn der Iran die Atombombe entwickeln würde.

Die Fragen stellte Claudia Witte, tagesschau.de.