Interview

Interview zur Lage in Island "Ein Ende ist nicht absehbar"

Stand: 19.04.2010 15:41 Uhr

Der Vulkan unter dem Eyjafjalla-Gletscher in Island hält seit fünf Tagen Europa in Atem: Der Flugverkehr ist weitgehend eingestellt, das öffentliche Leben gestört. Noch immer stößt der Vulkan Asche aus und ein Ende ist nicht absehbar, berichtet ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Frau Buckenmaier, der Vulkan unter dem Eyjafjalla-Gletscher ist immer noch aktiv - nur soll er jetzt mehr Lava spucken und weniger Asche. Was sagen die Fachleute, die Geologen?  

Claudia Buckenmaier: Mit letzter Sicherheit können auch die Fachleute nicht einschätzen, wie sich der Vulkan weiter verhalten wird. Heute morgen wurde uns mitgeteilt, dass der Vulkan seit der Nacht deutlich weniger Asche ausstößt. Auch wird sie nicht mehr mit dieser Wucht in die höheren Luftsphären schleudert. Die Aschesäule ist jetzt deutlich unter drei Kilometer hoch. Deshalb hoffen die Experten, dass die Asche den internationalen Flugverkehr nicht mehr derart beeinträchtigen wird wie in den vergangenen Tagen. 

Allerdings werden die Menschen hier umso stärker belastet, weil wieder verstärkter Ascheregen gemeldet wird. So beträgt die Sicht jetzt an manchen Stellen gerade mal 100 Meter. Das ist auch eine enorme Belastung für die Landwirte, die ihre Tiere nach wie vor versorgen – zumal viele Pferde auf den Weiden sind.

tagesschau.de: Damit ist ja offenbar kein Ende der Aktivität absehbar?

Claudia Buckenmaier: Nein, ein Ende ist nicht absehbar. Allerdings scheint sich die Aktivität zu verändern. Der Vulkan brodelt zwar weiter sehr kräftig - zumindest im Moment -, es werden aber keine neuen Eruptionen befürchtet. Das letzte Erdbeben wurde in der Region Sonntag früh um 3 Uhr gemessen, mit nur noch einer Stärke von 1 auf der Richterskala.

Das allein bewerten die Wissenschaftler positiv, weil weitere Erdstöße Hinweise darauf sein könnten, dass neue Krater aufbrechen. Allerdings wagt hier zurzeit niemand eine klare Prognose. Eine Geologin sagte uns vor ein paar Tagen, Vulkane seien Individuen. Dementsprechend schwer sind allgemeingültige Aussagen.

tagesschau. de: Es wird ja schon seit vergangener Woche befürchtet, dass auch der Nachbar-Vulkan Katla sozusagen "angesteckt" und ebenfalls aktiv wird. Wie schätzen die Experten das ein?

Keine Anzeichen für einen Ausbruch des Katla

Claudia Buckenmaier: Bisher gibt es keine Anzeichen, dass Katla bereits "angesteckt" wurde. Keinerlei seismische Messungen deuten darauf hin. Wenn allerdings von der Verbindung Eyjafjallajökull und Katla gesprochen wird, dann gehen alle hiesigen Experten von längeren Zeiträumen aus. Es heißt dann meist, Katla könne einige Monate später ausbrechen.  

tagesschau.de: Ein Ausbruch dieses Vulkans - der ist weitaus größer - könnte deutlich schlimmere Folgen haben als beim Eyjafjallajöküll. Auch wäre es der erste Ausbruch seit 1918. Welche Folgen könnte das haben?

Claudia Buckenmaier: Katla fürchten die Isländer wirklich. Selbst jetzt, wo viele Menschen unter den Aschewolken leiden, sagen die meisten immer noch, das geht schon irgendwie -  solange nur Katla nicht ausbricht. Falls der Vulkan doch aktiv werden sollte, wären große Flutwellen die größte Gefahr für die Bevölkerung.

tagesschau.de: Wie ist die Situation heute in Island - wie gehen die Menschen mit dem Naturereignis um? Läuft das Leben wieder normal?

"Viele sind am Ende ihrer Kräfte"

Claudia Buckenmaier: Das Leben in Island läuft weitestgehend normal. In Reykjavik, knapp zwei Stunden Autofahrt vom Vulkan entfernt, spürt niemand etwas vom Ausbruch. Höchstens die Reisenden, die nicht wegkommen, und die Hotels, deren ursprünglich gebuchte Gäste nicht kommen. Auch in der Region rund um den Eyjafjallajökull läuft das Leben weitestgehend ab wie immer.

Nur auf dem Küstenstreifen, der vom Ascheregen betroffen ist, herrschen schwierige Verhältnisse. Ich habe gehört, dass eine Schule geschlossen werden musste. Viele Menschen dürfen nach wie vor nicht zurück in ihre Häuser. In einem der Evakuierungszentren gibt es jetzt einen psychologischen Notdienst, der Menschen betreut, die unter Schock stehen. Viele sind übermüdet und am Ende ihrer Kräfte.

Das Interview führte Claudia Buckenmaier, NDR