Staatschef Micheletti zur Lage in Honduras "Hier gab es keinen Staatsstreich"

Stand: 03.07.2009 21:43 Uhr

In Honduras sind erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um für oder gegen den gestürzten Präsidenten Zelaya zu demonstrieren. Dessen Nachfolger Micheletti sieht sich indes missverstanden. Alles sei verfassungskonform gelaufen.

Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Hörfunkstudio Mexiko-Stadt

Auch Tage nach dem Putsch gegen Präsident Manuel Zelaya protestieren wieder Tausende in Tegucigalpa. "Raus mit den Putschisten", rufen sie. Darin sind sie sich einig. Aber nicht alle sind auch Anhänger des gestürzten Zelaya.

Vielen geht es einfach ums Prinzip: "In den vergangenen Jahren sind alle Länder demokratischer geworden. Die Leute wollen keine Diktaturen. Ich fühle mich wehrlos. So wie sie den Präsidenten aus seinem Wohnhaus entführt haben, was sagt mir das, einer einfachen Bürgerin? Als Honduranerin geht es mir sehr schlecht, denn ich fühle mich unterdrückt", klagt eine Lehrerin.

Protest gegen "Pinocheletti"

An den Hauswänden entlang des Demonstrationszuges entstehen Graffitis. Die meisten sind Roberto Micheletti gewidmet, dem neuen Präsidenten. "Pinocheletti" nennen sie ihn, nach dem chilenischen Diktator Pinochet. Eine alte Frau, die Nüsse an hungrige Demonstranten verkauft, will, dass der entmachtete Zelaya bleibt, wo er ist: "Er hat nichts für die Armen getan, dabei hieß es, er sei ein Linker. Wenn er zurück kommt, gibt es einen Bürgerkrieg." Darum hätten alle Angst vor Zelayas Rückkehr.

Ausländische Medien nur "schlecht informiert"?

Die Putschregierung von Micheletti hat vorsorglich Haftbefehl gegen Zelaya erlassen. Während auf den Straßen protestiert wird, vereidigte Micheletti im Präsidentenpalast seine Vizeminister. Die Runde wirkt wie ein großer Freundeskreis. Bei der anschließenden Pressekonferenz reagierte der Interimspräsident gereizt auf Fragen nach seinem Amtsvorgänger. Seiner Meinung nach sind die ausländischen Medien nur "schlecht informiert". Er versichert: "Hier gab es keinen Staatsstreich, sondern alles war ganz verfassungskonform. Die drei Mächte funktionieren, die Armee gewährleistet Sicherheit, nicht ein Tropfen Blut wurde vergossen. Es herrscht Harmonie unter 90 Prozent der Bevölkerung."

Blut wurde den offiziellen Angaben zufolge bisher kaum vergossen. Augenzeugen berichten jedoch von weit mehr Verletzten unter den Demonstranten, als die honduranische Presse zugeben mag.

Kritik an der Machtverteilung

Für Filmemacher Walter Hernandez sind die Verletzungen, die die Putschisten dem Land zugefügt haben, die schlimmsten. Der Putsch habe das Honduras 40 Jahre zurückgeworfen. "Das Land war schon seit langer Zeit gespalten, wir wussten es nur nicht", sagt Hernandez. Die Gesellschaft bestehe zu 70 Prozent aus Arbeitern, die in Armut lebten, einer Mittelschicht, die unter der Wirtschaftskrise leide und einer Elite von etwa zwei Prozent. Diese Elite kontrolliere 90 Prozent der Wirtschaft. "Mit Zelayas Regierung hatten die ärmeren erstmals den Eindruck, ihr Land selbst gestalten zu können", ist sich Hernandez sicher.

Diesen Hoffnungen hat der Sturz Manuel Zelayas ein bitteres Ende gesetzt. Daran kann auch seine Rückkehr nichts mehr ändern.