
EU-Freihandelsabkommen Ein Kniefall vor Japan?
Stand: 23.06.2017 20:01 Uhr
Der Handelspakt zwischen der EU und Japan soll Im- und Exporte kräftig ankurbeln. Die Partner wollen das Abkommen schnellstmöglich absegnen. Doch geheime Dokumente, die NDR, WDR und SZ vorliegen, offenbaren gravierende Mängel für Europas Verbraucher.
Von Lena Kampf, WDR
Der Handelspakt zwischen der EU und Japan soll die Exporte nach Japan um 20 bis 30 Prozent steigern. Noch vor dem G20-Gipfel in Hamburg wollen die Partner eine Einigung erzielen, obwohl heikle Fragen noch nicht geklärt sind.
WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" liegen Hunderte Seiten nicht-öffentlicher Verhandlungsdokumente der beiden Partner und Einschätzungen der Bundesregierung vor. Sie wurden von Greenpeace und anderen Quellen zur Verfügung gestellt und erlauben einen Einblick in die seit 2013 laufenden geheimen Gespräche. Es sind noch nicht die abschließenden Vertragstexte. Aus dem bisherigen Verhandlungsstand geht hervor, dass Grundsätze zum Schutz der Bürger bisher nur unzureichend verankert sind.
Freihandelsabkommen zwischen EU und Japan in der Kritik
tagesthemen 21:45 Uhr, 24.06.2017, Anja Bröker/Lena Kampf, WDR
Kapitelübersicht
Beispiel Investorenschutz
Die Japaner beharren offenbar bislang auf umstrittenen privaten Schiedsgerichten, mit denen Unternehmen Staaten auf Schadensersatz verklagen können. Diese verhandeln hinter verschlossenen Türen. Kritiker sehen in Schiedsgerichten die Möglichkeit, dass Konzerne mehr oder weniger heimlich demokratische Entscheidungen aushebeln könnten.
Beim Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) hatte die EU-Kommission nach Protesten öffentliche Investitionsgerichtshöfe als Standard etabliert, mit Richtern, die die Regierungen ernennen und nicht die Kläger selbst. "Das neue System wird wie ein internationales Gericht funktionieren, so dass die Bürger auf faire und objektive Urteile vertrauen können", hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström versprochen.
Bisher sperren sich die Japaner aber gegen solche Investitions- anstelle der Schiedsgerichtshöfe. Zu dem Thema gäbe es "so gut wie keine Fortschritte", zitiert die Regierung Malmströms Beamte in einem diplomatischen Bericht. Die deutschen Diplomaten in Brüssel meldeten an Berlin: "Möglicherweise könnte diese Thematik bei einer politischen Einigung zunächst ausgespart und erst zum Schluss der Verhandlungen geklärt werden".
Professor Markus Krajewski, Völkerrechtler an der Universität Erlangen-Nürnberg, warnt: "Im momentanen Verhandlungsstand sehen wir einige Klauseln, die bei CETA sehr viel strikter waren und die in dem Japan-Abkommen weicher sind. Das heißt, dass sich Investoren möglicherweise doch auf weitere Standards berufen können. Die strikten Standards die bei CETA eingeführt wurden, die sehen wir jedenfalls jetzt in dem Abkommen mit Japan noch nicht."