Fragen und Antworten

Nach dem Verschwinden Keiner weiß, was mit MH370 geschah

Stand: 30.07.2015 12:00 Uhr

Noch immer weiß niemand, was sich in den letzten Stunden an Bord des Fluges MH370 abgespielt hat. Es gibt zahlreiche Theorien zum Absturz der Malaysia-Airlines-Maschine - und eine erste Spur. tagesschau.de gibt einen Überblick über die Erkenntnisse.

Was wissen wir?

40 Minuten nach dem Start in Kuala Lumpur verschwand die Boeing vom Radar und galt seither als spurlos verschwunden. 239 Menschen waren an Bord, die Mehrheit der Passagiere stammte aus China. Nach Auswertung von Satellitendaten ist bekannt, dass die Maschine, die auf dem Weg nach Peking war, noch rund sieben Stunden Richtung Süden flog. Und hier endet das sichere Wissen über das Schicksal der MH370. Doch jetzt gibt es eine erste Spur: Vor der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean wurde ein Wrackteil gefunden. Die Flügelklappe stammt offenbar wirklich von dem vermissten Flug MH370. Frankreichs Staatsanwalt Mackowiak erklärte, Vertreter von Boeing hätten dies bestätigt. Es soll noch eine letzte Analyse geben.

Wie ist der Stand der Suche?

Experten gehen davon aus, dass die Maschine im Indischen Ozean rund 2000 Kilometer westlich von Perth abstürzte, als das Benzin ausging. Die Australier koordinieren die Suche dort. Schiffe mit Unterwasser- und Sonargeräten suchen seit mehr als einem Jahr in einem riesigen Gebiet des Indischen Ozeans nach dem Wrack. Es ist eine der abgelegendsten Meeresregionen der Welt. Das Wasser ist dort teils 6000 Meter tief. 55.000 Quadratkilometer sind bislang ergebnislos abgesucht worden, wie die australische Koordinationsstelle für die Suche (JACC) mitteilte.

Der stellvertretende australische Ministerpräsident Warren Truss dämpfte die Hoffnungen, mit Hilfe des angeschwemmten Trümmerteils rasch den Absturzort und damit den Rumpf der Maschine ausfindig machen zu können.

Kann das Verschwinden mit einem technischen Defekt erklärt werden?

An Bord war zwar eine Ladung mit gut 200 Kilogramm hoch brennbaren Batterien. Ein Brand hätte womöglich die beiden Kommunikationssysteme zerstören können - aber die Piloten hätten zuvor im Cockpit Alarm gehört und über Funk eine Notsituation gemeldet, sagen Piloten. Hätten toxische Dämpfe oder ein Druckabfall Passagiere und Crew bewusstlos gemacht, hätte die Maschine nach dem letzten Radarkontakt nicht zwei abrupte Kursänderungen nehmen können.

Das gefundene Tragflügelteil sehe auch nicht so aus, als sei es durch eine Explosion vom Rumpf getrennt worden, sagte John Cox, Chef der Luftfahrt-Consultingfirma Safety Operating Systems, dem US-Sender NBC. Sollte das Teil zu der vermissten Boeing gehören, deute dies auf eine "sanfte Landung" hin, wahrscheinlich auf dem Wasser.

Kann die Maschine von Terroristen entführt worden sein?

Als die Kursänderungen eine Woche nach dem Verschwinden enthüllt wurden, sagte Malaysias Regierungschef Najib Razak: "Diese Bewegungen deuten auf absichtliches Eingreifen durch jemanden an Bord hin." Die Ermittler haben alle Passagiere und Besatzungsmitglieder unter die Lupe genommen. Niemand hatte Terror-Sympathien oder -Verbindungen, auch die beiden Iraner nicht, die mit gefälschten europäischen Pässen an Bord waren. Sie träumten vom besseren Leben in Europa. Keine Terrororganisation hat sich je zu einem Anschlag bekannt. Zudem verfügte laut Ermittlungen keiner der Passagiere über die nötige Pilotenerfahrung.

Kann die Maschine aus Versehen abgeschossen worden sein?

Das behauptet der britische Autor Nigel Cawthorne in einem Buch. Bei einer damals stattfindenden thailändisch-amerikanischen Militärübung im Südchinesischen Meer sei scharfe Munition verwendet worden. Die Geschichte vom stundenlangen Flug in Richtung Süden sei erfunden worden, um sicherzustellen, dass das Wrack an falscher Stelle gesucht und nie gefunden wird. Seriöse Experten zweifeln nicht an den Angaben der Satellitenfirma Inmarsat, die Stunden nach dem Verschwinden Daten von der Maschine auffing.

Hat der Pilot selbst die Maschine zum Absturz gebracht?

Zumindest gehen die meisten Fachleute davon aus, dass der Flug absichtlich von seiner planmäßigen Route abgelenkt wurde. Für einen Unfall seien die Umstände zu mysteriös sagen einige Unfallermittler. Sie entwerfen in einer Dokumentation des Senders "National Geographic" ein mögliches Szenario: Der Pilot, Zaharie Shah, dirigiert den Kopiloten unter einem Vorwand aus dem Cockpit, verschließt die Tür, nimmt eine Sauerstoffmaske, regelt manuell den Druck in der Kabine herunter, was - nachdem die Sauerstoffnotversorgung aufgebraucht ist - alle ins Koma versetzt und fliegt Richtung Süden, bis die Maschine mit leeren Tanks abstürzt.

Nur so ließe sich erklären, dass zunächst zwei Kommunikationssysteme gleichzeitig aussetzten: "Es gibt keine elektrische Verbindung zwischen beiden und damit keinen Grund außer menschlichem Eingreifen," sagt der Unfallermittler Malcolm Brenner in der Dokumentation. Zudem passierte dies genau zu dem Zeitpunkt, als die Maschine von der malaysischen Flugüberwachung in die vietnamesische flog und weder die eine noch die andere den fehlenden Kontakt sofort bemerkte. Damit ließen sich auch die kurz darauffolgenden abrupten Kursänderungen erklären.

Aber warum würde jemand auf Suizid-Mission die Maschine so lange fliegen lassen? Zudem haben Ermittler keinerlei Hinweise auf eine Suizid-Absicht bei dem Piloten gefunden. Zaharie, 52, ist Vater von drei Kindern und hat ein Enkelkind. "Ich habe noch zwei, drei Tage vor dem 8. März mit ihm gesprochen, es gab kein Anzeichen, dass etwas nicht stimmte", sagt ein Kollege Zaharies der dpa.

Sind alle Informationen der Behörden öffentlich bekannt?

Malaysias Regierung und Malaysia Airlines beteuern, keine Informationen zurückzuhalten. Angehörige der vermissten Insassen glauben ihnen aber nicht: Sie verweisen auf widersprüchliche Erklärungen von Behörden und Fluglinie und werfen beiden Seiten vor, Fakten nur mit Verzögerung oder nur zum Teil zu veröffentlichen. Auch der Chef von Emirates Airways, Tim Clark, hatte im vergangenen Jahr Zweifel geäußert, ob alle Informationen auf dem Tisch sind.

Wie groß sind die Chancen, das Flugzeug zu finden?

Die Batterien des Ortungsgeräts der Boeing waren schon mehr als ein Jahr vor dem Verschwinden der Maschine abgelaufen. Das geht aus einem Untersuchungsbericht hervor, der zum Jahrestag des Verschwindens veröffentlicht wurde. Das bedeutet, dass die Chancen, das Flugzeug zu finden, auch durch technische Mängel gering waren und sind.

Was geschieht, wenn das Wrack gefunden wird?

Die Experten stünden vor der Herausforderung, wenn nicht das Wrack, so zumindest aber die Flugschreiber in 4000 Metern Tiefe und in völliger Dunkelheit zu finden und zu bergen. Immerhin können sie dabei auf die Erfahrungen bei der Suche nach den Blackboxes von Air-France-Flug AF 447 zurückgreifen: Diese waren zwei Jahre nach dem Absturz im Juni 2009 von einem Tauchroboter aus dem Atlantik geborgen worden.

Gibt es vergleichbare Fälle von verschwundenen Flugzeugen?

Dass ein Flugzeug für längere Zeit als vermisst gilt, passiert sehr selten. Wenn eine Maschine vom Radar verschwindet und abstürzt, werden meist nach wenigen Tagen, Wochen oder Monaten zumindest Wrackteile gefunden. Dennoch gibt es einige ungeklärte Fälle.

Die Website Aviation Safety Network listet den Fall einer 1962 verschwundenen Maschine auf: Die vom US-Militär gecharterte Turboprop der US-Gesellschaft Flying Tiger Line mit 107 Insassen war auf dem Weg von Guam zu den Philippinen. Ihr Schicksal ist bis heute unbekannt. Ein anderer Fall ist die seit 1990 vermisste Boeing 727 der peruanischen Fluggesellschaft Faucett Airlines. Sie war auf dem Weg nach Miami und stürzte im Nordatlantik ab. Von der Maschine mit ihren 18 Insassen fehlt jede Spur.

Werden die Angehörigen entschädigt?

Im Januar wollte Malaysia einen Schlussstrich unter das MH-370-Desaster ziehen. Das Unglück wurde als Unfall eingestuft und alle Menschen an Bord für tot erklärt. Für viele Angehörige war das ein Affront.

Die Fluggesellschaft Malaysia Airlines habe den Angehörigen Geld in Aussicht gestellt, sagt Zhang Yongli der dpa. "Aber niemand hat unterschrieben." Der Sohn des 64-Jährigen war in der Maschine. Juristen der Fluggesellschaft hätten sie im Gegenzug für das Geld dazu gedrängt, einen Vertrag zu unterschreiben, in dem sie auf jegliche Ansprüche gegen das Unternehmen verzichten. "Das war absolut inakzeptabel", sagt Zhang. Malaysia Airlines hatte hingegen stets betont, eine gute Regelung und ausreichende Zahlung für alle Angehörigen finden zu wollen.

Zusammengestellt von Sandra Stalinski, tagesschau.de