Pro Asyl wirft Griechenland Misshandlung von Flüchtlingen vor Geschlagen, gefoltert und auf hoher See ausgesetzt

Stand: 29.10.2007 17:42 Uhr

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat Griechenland der massiven Menschenrechtsverletzung von Flüchtlingen beschuldigt. Die Haftbedingungen seien menschenunwürdig, Flüchtlinge würden zum Teil auf hoher See ausgesetzt, sie würden reihenweise misshandelt und manchmal sogar gefoltert, so die schockierenden Untersuchungsergebnisse von Pro Asyl.

Von Ulrike Bosse, ARD Berlin

Von Ulrike Bosse, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

„Die Wahrheit mag bitter sein, aber sie muss gesagt werden“, ist der Bericht überschrieben, den Pro Asyl zur Lage der Flüchtlinge herausgegeben hat. Die Ergebnisse sind schockierend. Sie sind entstanden durch gemeinsame Recherchen mit einer griechischen Anwaltsorganisation für Flüchtlingshilfe vor allem in der nördlichen Ägäis, nach dem Besuch von Lagern auf den Inseln Chios, Samos und Lesbos, nach Gesprächen mit Flüchtlingen, aber auch mit Vertretern der Polizei, der Küstenwache und des UN-Flüchtlinskommissariat.

Es sei ein sehr trauriger Bericht, bilanzierte Karl Kopp, der Europareferent von Pro Asyl. "Ich hätte in dieser Größenordnung nicht damit gerechnet, dass wirklich durch die Bank die Leute verhauen und misshandelt werden, dass die Rippen beim Aufgriff gebrochen werden", sagte er. In einem Fall sei die Misshandlung der Flüchtlinge sogar bis zur Folter mit Elektroschocks, Eintauchen des Kopfes in Wassereimer und Scheinhinrichtungen gegangen. Zudem würden die Flüchtlinge systematisch zurückgewiesen. Flüchtlinge auf dem Landweg würden über den Grenzfluss in die Türkei zurückgetrieben - bei Flüchtlingen auf See würde riskiert, dass sie als Nichtschwimmer ertrinken.

Keine Chance auf geregelte Asylverfahren

"Flüchtlinge werden zurückgeschickt, auf hoher See ausgesetzt, man nimmt ihnen die Paddel ab, macht ein kleines Loch ins Boot, dass sie vielleicht gerade noch an die türkische Küste kommen", beschreibt Kopp die Zustände. "Wir haben Fälle dokumentiert, wo Menschen schon auf Lesbos, also auf griechischem Territorium waren, dann aufgelesen und bis an die türkische Küste zurückgefahren wurden." Die Flüchtlinge, auch aus Ländern wie Afghanistan oder Irak, hätten kaum Zugang zu einem geregelten Asylverfahren, so Kopp. Sie würden in der Regel unter völlig unzureichenden Bedingungen inhaftiert – wie zum Beispiel auf Samos:

Bis zu 400 Menschen seien zeitweise auf engstem Raum ohne Matratzen zusammengepfercht. "Sie schlafen auf feuchten Toiletten und schlagen sich um den letzten Liegeplatz", so Kopp weiter. "Es gibt keine adäquate medizinische Versorgung", kritisiert er. "Wir haben Kinder getroffen, wir haben Schwerverletzte, Kriegsopfer vorgefunden, wir haben schwangere Frauen gesehen."

Reform der EU-Asylpolitik gefordert

Ein Vertreter der griechischen Regierung in Brüssel wies den Bericht zurück. Zwar sei nicht alles perfekt, aber es sei nicht korrekt, Griechenland so schlecht darzustellen, sagte er. Pro Asyl und der europäische Flüchtlingsrat ECRE fordern neben der Verbesserung der Situation in Griechenland eine Änderung der EU-Asylpolitik, unterstrich der ECRE-Generalsekretär Bjarte Vandvik: "Es ist nicht die Aufgabe von Griechenland oder irgend einem anderen Mitgliedstaat, die ganze Verantwortung zu übernehmen, weil sie dann die Grenzen dichtmachen und die Leute zurück schicken. Wir brauchen wirkliche Kooperation und ein echtes gemeinsames Asylsystem in der EU, und dürfen nicht die Verantwortung in die äußeren Staaten abschieben", so Vandvik.

Ob in Griechenland, Italien, Malta oder Spanien - überall, so der Pro Asyl-Europareferent, lasse sich eine Brutalisierung im Umgang mit Flüchtlingen beobachten. Kopps bittere Warnung: Europa sei dabei, sich von den Werten zu verabschieden, auf die es so stolz sei.