Hintergrund zur EU-Flüchtlingspolitik Schöne Worte und wenig Taten

Stand: 15.02.2011 08:49 Uhr

Asylbewerber müssen in dem EU-Land versorgt werden, in dem sie zuerst europäisches Territorium betreten haben: So lautet die Regel. Doch was ist, wenn Flüchtlingsströme ein Aufnahmeland überfordern? Dann wird viel über Solidarität geredet. Geht es aber um konkrete Lastenteilung, heißt es: Nein danke.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Die Kanaren, Lampedusa, Malta und nun wieder Lampedusa - verzweifelte Bootsflüchtlinge, die an Südeuropas Küsten stranden, wenn sie es denn überhaupt ans rettende Ufer schaffen. Die Bilder wiederholen sich, die europäischen Reaktionen darauf leider auch.

Die betroffenen Regierungen rufen nach europäischer Hilfe, die anderen reden von Solidarität: "Die EU-Kommission ist bereit, konkrete europäische Solidarität zu zeigen", so Michele Cercone, Sprecher der Brüsseler Behörden. Aber die Solidarität geht nicht soweit, den Italienern, Griechen oder Maltesern einen Teil der Flüchtlinge abzunehmen. Auf diese Idee kommt Deutschland nicht und kommen auch die anderen Länder nicht, die sich in beruhigender Entfernung von den südlichen Hotspots befinden. Lediglich Malta wurden in einem Pilotprojekt vor zwei Jahren einmal 250 Asylsuchende abgenommen, als die Miniinsel geradezu von Bootsflüchtlingen überrannt wurde.

Debatte über Dublin-II-Abkommen

Lastenteilung - nein Danke, diese Grundhaltung prägt auch die aktuelle Diskussion um eine Änderung der sogenannten Dublin-II-Regel. Diese Regel von 2003 besagt, dass Asylbewerber in dem EU-Land versorgt werden müssen, in dem sie zuerst europäisches Territorium betreten haben. Ein Iraker, der über Griechenland nach Deutschland gekommen ist, kann von den hiesigen Behörden also ohne jegliche Prüfung des Falles sofort nach Griechenland zurückgeschickt werden.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass diese Regel in Ausnahmesituationen ausgesetzt werden kann, wenn Regionen mit der Aufnahme von Flüchtlingsströmen überfordert sind. Aus Deutschland und den meisten anderen EU-Staaten kommt dazu ein klares Nein. Man dürfe keine zusätzlichen Anreize für Menschenhändler und Asyltourismus schaffen.

Millionen Euro zur Bewältigung der Einwanderung

Für Bewegung könnten aber die Gerichte sorgen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gerade Belgien untersagt, einen Afghanen nach Griechenland abzuschieben, weil ihn dort eine unmenschliche Behandlung erwarten würde. Das Bundesinnenministerium hatte schon kurz zuvor die Abschiebungen nach Griechenland ausgesetzt.

Die Bundesregierung drängt nun darauf, dass Griechenland die Zustände für Asylbewerber verbessert. Dafür gibt es auch europäisches Geld. So bezieht Griechenland aus dem EU-Fonds zur Bewältigung der Einwanderung etwa 50 Millionen Euro im Jahr.

Frontex im Einsatz

Und es gibt noch eine zweite Form der europäischen Kooperation. Die vor fünf Jahren gegründete EU-Grenzschutzagentur Frontex kann auf Antrag jetzt zum Beispiel der italienischen Regierung Hilfe organisieren. Die Agentur stellt dann eine schnelle Eingreiftruppe von Grenzbeamten aus den Mitgliedstaaten zusammen. Die Beteiligung ist freiwillig.

Im November vergangenen Jahres wurde dieser Mechanismus zum ersten Mal in Gang gesetzt, um den Griechen zu helfen, den Flüchtlingsstrom über die Landgrenze zur Türkei einzudämmen. "Weniger als zehn Tage nach der Anforderungen waren die europäischen Grenzbeamten schon an der griechisch-türkischen Grenze im Einsatz", berichtet Cercone. Und sie haben tatsächlich zu einer erheblichen Verringerung des Flüchtlingsstroms beitragen können. Frontex koordiniert auch den Einsatz von Grenzschutzbooten mehrerer EU-Staaten im Mittelmeer.

Hilfe für Herkunfts- und Transitländer

Ansonsten setzt die EU auf die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge beziehungsweise mit den Transitstaaten. Denen wird technische, personelle und finanzielle Hilfe angeboten. Im Gegenzug sollen sie ihre Grenzen besser bewachen und die Flüchtlinge aus Europa zurücknehmen. Und sie sollen natürlich auch die Flüchtlinge besser behandeln. Gerade hat die EU mit Libyen ein solches Abkommen abgeschlossen.