EU-Beobachter in Georgien Nur Augen und Ohren Brüssels

Stand: 26.07.2010 16:21 Uhr

Zwei Jahre ist der Krieg zwischen Georgien und Russland her. Die EU vermittelte einen Waffenstillstand und entsandte Beobachter. Die Mission gilt als Erfolg und wurde nun von den EU-Außenministern bis 2011 verlängert. Vor Ort zeigt sich aber, wie sehr die Glaubwürdigkeit der Mission von der Macht der EU abhängt.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Es ist noch früh am Morgen, feucht-warme Hitze breitet sich über Sugdidi aus, einer Stadt mit etwa 70.000 Einwohnern zwischen Schwarzem Meer und schneebedecktem Kaukasus, 340 Kilometer westlich der Hauptstadt Tiflis. Durch einen Krieg Anfang der 1990er-Jahre zur Frontstadt zwischen dem abtrünnigen Abchasien und dem Rest Georgiens geworden, sind Sugdidi und die Umgebung auch 17 Jahre danach noch gezeichnet. Von einstmals 100.000 harren noch 50.000 Georgier aus, die damals aus ihren Häusern in Abchasien fliehen mussten. Die meisten sind in "Collective Centern" - Sammellagern - untergebracht. Eins davon heißt Vector und liegt am Rande der Stadt.

Es ist das Ziel der Mitarbeiter der EU-Beobachtermission (EUMM) Razvan Maties aus Rumänien, Timo Majasaari aus Finnland und Marietta König aus Deutschland. Ihr Jeep hält vor einem alten Fabrikgelände. Im Hintergrund ist eine Planierraupe zu hören. Schwarzer Rauch steigt aus einem schiefen Schlot auf, davor fünf alte Fabrikhallen und Verwaltungsgebäude, teils aus verwitterten Betonplatten, teils mit Ziegelsteinen gemauert. Fenster in den Hallenwänden und eingezäunte Gärtchen mit Hühnern freilaufenden Schweinen weisen darauf hin, dass hier Menschen wohnen.

Ein Dach wie ein Sieb

Rewas Mikelbaja, Sprecher der 450 Vector-Bewohner, begrüßt die drei EU-Beobachter und ihre Übersetzerin Isolda. Durch dunkle Gänge leitet Rewas sie in seine Unterkunft im Erdgeschoss. Ein Raum ist Wohn- und Schlafzimmer zugleich, dazu ein Verschlag für den Sohn und eine Kochnische ohne Wasser.

Rewas kommt gleich zur Sache. Er weist auf feucht-schwarze Flecken an Decke und Wänden: "Vor einer Woche hat es geregnet und immer noch tropft Wasser in unsere Wohnungen." Im Gang über seiner Unterkunft hat er Schüsseln aufgestellt. Aber das reicht nicht. Das Dach darüber ist wie ein Sieb. Nachbarn kommen hinzu. Das Gespräch dreht sich um die vor drei Jahren von der Regierung angekündigte Renovierung und Privatisierung der Flüchtlingsunterkünfte. Von Neubauten im 60 Kilometer entfernten Poti ist die Rede und von Baumaterial, das den Flüchtlingen gegeben werden soll.

EUMM (European Union Monitoring Mission)

Die EU-Mission in Georgien nahm am 1. Oktober 2008 mit mehr als 200 unbewaffneten Beobachtern ihre Arbeit auf. Sie überwacht die Umsetzung der am 12. August und 8. September 2008 von der EU vermittelten Vereinbarungen zwischen Russland und Georgien. Dazu zählten vor allem zu Beginn die Normalisierung und Stabilisierung der Lage. Aufgabe der EUMM ist es auch, zur Vertrauensbildung zwischen den Konfliktparteien beizutragen und objektive Informationen zu liefern. Russland, Südossetien und Abchasien verweigern es der Mission allerdings, in den abtrünnigen Gebieten zu patrouillieren. Erster Leiter der Mission war der deutsche Diplomat Hansjörg Haber. Anfangs stellte Deutschland 48 Mitarbeiter, das Budget der Mission betrug 49,6 Millionen Euro.

Beobachten und Berichte schreiben

"Viele Leute kommen, machen Fotos, aber es passiert nichts. Ich hoffe, sie können uns irgendwie helfen", sagt eine ältere Frau um die 60. "Wir möchten wissen, was die Regierung für Pläne mit diesen Häusern hier hat. Werden sie renoviert oder müssen wir umziehen?", fragt eine resolute Frau um die 40. Timo erklärt mit ruhiger Stimme: "Wir versuchen herauszufinden, was hier getan wird. Verantwortlich ist die georgische Regierung. Wir sind eine Beobachtermission. Wir beobachten und schreiben Berichte nach Brüssel. Die EU ist ein großer Geldgeber für Projekte." Marietta fügt hinzu: "Je mehr wir erfahren, desto mehr können wir berichten. Dadurch entsteht eine Art Druck auf die Verantwortlichen."

Die Flüchtlinge in Sugdidi fühlen sich benachteiligt. Unter Präsident Eduard Schewardnadse mussten sie sich in Behelfsunterkünften einrichten. Ihr ungelöstes Schicksal in den Behelfsunterkünften diente als auch Druckmittel, um den Anspruch auf Abchasien aufrecht zu erhalten. Anders ist es mit den neuen Flüchtlingen, die nach dem Krieg 2008 aus der anderen abtrünnigen Region Südossetien fliehen mussten. Für sie errichtete die Regierung Michail Saakaschwilis mit internationaler Hilfe in kürzester Zeit Tausende Häuser. Deutschland beispielsweise ließ 300 erdbebensichere Häuser bei Gori bauen. Die Renovierung der alten Flüchtlingslager kommt nur langsam voran. 300 von 1500 Lagern in Georgien wurden nach Aussage der Hilfsorganisation "Danish Refugee Council" bislang renoviert.

Alte und neue Flüchtlinge

Resigniert sagt Rewas: "Wir sind die Flüchtlinge Schewardnadses. Die anderen sind Saakaschwilis Flüchtlinge und sie kümmern sich um seine Flüchtlinge." Im 3000 Kilometer entfernten Brüssel weiß man um das Problem der Altflüchtlinge. In eine Geberkonferenz für Georgien 2008 wurde auch ihre Lage einbezogen. Ein Bericht des Internationalen Roten Kreuzes sei beunruhigend gewesen, sagt Pierre Morel, EU-Sonderbeauftragter für Georgien. "Wir wissen, dass schwierige Lebensbedingungen Spannungen, Frustration und Verbitterung nähren." Deshalb seien die Prioritäten der EU klar und sie würden auch der georgischen Regierung vermittelt.

Bei der Geberkonferenz sei zur Bedingung erklärt worden, dass die Gelder direkt an die Betroffenen gehen. Doch wie wird verhindert, dass die georgische Regierung die Mittel nicht anders verwendet, zum Beispiel für Verteidigungsausgaben? Morel antwortet darauf: "Als souveräner Staat trifft Georgien seine eigenen Entscheidungen. Dieses Land hat eine dramatische und tragische Situation erlebt. Wie in jedem Land muss sich die Regierung um die Sicherheit kümmern. Wie sie es tut, ist ihre Entscheidung. Die Botschaft, die wir ihnen überbringen können, ist, dass es nur eine erfolgreiche Zukunft für Georgien geben kann, wenn sie den Weg mit friedlichen Mitteln gehen."

Teil 2: EUMM - Gezwungenermaßen auf einem Auge blind

Aufgabe der EUMM ist es, den Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien zu überwachen. Einzige "Waffe" sind Augen und Ohren der Mitarbeiter. So fahren Razvan, Timo und Marietta nach ihrem Besuch im Flüchtlingslager noch auf die Hügel oberhalb von Sugdidi und halten an einem Waldstück an. Zwei junge Männer mit Sonnenrillen, Jeans und engen T-Shirts stehen dort herum. Timo spricht sie an. Er beschreibt die Aufgabe der EU-Beobachter und fragt die Männer, ob sie in den vergangenen Tagen etwas Auffälliges bemerkt haben.

Informationen zu einem Bild zusammenfügen

Es geht um Abchasien, das nur wenige Kilometer entfernt hinter dem Fluss Inguri beginnt. Auch den beiden erklären die EUMM-Leute, dass sie nur beobachten können, dass eine Lösung des Konfliktes und die Rückkehr der Flüchtlinge in den Händen der Konfliktparteien liegen. Später beschreibt Timo den Sinn solcher Gespräche: "Wir wollen den Leuten vermitteln, dass die EUMM ansprechbar ist und wir sammeln Informationen, die wir zu einem Bild zusammenfügen."

Dabei ist die EUMM gezwungenermaßen auf einem Auge blind. Denn Russland sowie Südossetien und Abchasien verweigern den EU-Beobachtern den Zutritt in die abtrünnigen Gebiete. Immerhin dürfen die Beobachter inzwischen Aufnahmen eines in Spanien stationierten Satellitenzentrums nutzen, um Truppenbewegungen auf der anderen Seite der Grenzlinien nachzuvollziehen. Regelmäßig soll es vor Ort von der EUMM vermittelte Gespräche zwischen Vertretern der Konfliktparteien geben, was mehr oder weniger gut funktioniert. Nach Ansicht des EU-Sonderbeauftragten Peter Semneby hat die EUMM in den vergangenen zwei Jahren immerhin dafür gesorgt, die labile Lage zu stabilisieren, indem die Beobachter Gerüchten und Behauptungen nachgingen und diese zumeist widerlegte.

"Nicht genug, um Georgiens Sicherheit zu garantieren"

Die EUMM mache einen exzellenten Job, sagt auch Giga Bokeria, stellvertretender georgischer Außenminister und enger Vertrauter von Präsident Saakaschwili. Allerdings genüge dies nicht, um die Sicherheit Georgiens zu garantieren, stünden doch die russischen Truppen nahe der Hauptstadt Tiflis. Auch akzeptiere Russland nicht, dass seine Nachbarländer frei sein wollten.

Die Gespräche zur Lösung der Konflikte um Südossetien und Abchasien unter Beteiligung von EU, OSZE und UNO, die regelmäßig in Genf stattfinden, kommen denn auch kaum voran. Das Dilemma ist, dass bislang nur Georgien ein Interesse an einer Veränderung des Status Quo hat. Südossetien und Abchasien sind mit ihrer de facto Unabhängigkeit zufrieden, ebenso wie Russland, dass weiter Soldaten im Südkaukasus präsent hat. An diesem Problem sind allerdings auch schon die UNO und die OSZE gescheitert, die über lange Jahre ebenfalls unbewaffnete Missionen in Georgien hatten.

Für den fünfzigjährigen Flüchtling Rawas bedeutet dies wohl, dass sein Traum von einer Rückkehr nach Abchasien wenig realistisch ist. Zu hoffen bleibt, dass er mit seiner Familie und seinen Nachbarn bald ein Dach ohne Löcher über dem Kopf haben wird.