Ein Mann mit Maske vor dem Berlaymont-Gebäude der EU in Brüssel (Archivbild)

Mehrheit der EU-Staaten Plan gegen Rechtsstaatsverstöße gebilligt

Stand: 30.09.2020 13:08 Uhr

Bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen EU-Ländern künftig die Mittel aus Brüssel gekürzt werden können - ein entsprechendes Verfahren wurde von der Mehrheit der Mitglieder auf den Weg gebracht. Gegen die Widerstände aus Polen und Ungarn.

Eine Mehrheit der EU-Staaten hat ungeachtet von Drohungen aus Ungarn und Polen ein Verfahren zur Bestrafung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Union auf den Weg gebracht.

Ein entsprechender Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erhielt in Brüssel die erforderliche Unterstützung, wie ein Sprecher mitteilte. Nach AFP-Informationen lehnten sieben Länder den Vorschlag ab.

Ungarn und Polen drohen mit Blockade

Brisant ist der Mehrheitsbeschluss, weil Ungarn und Polen mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidungen zum langfristigen Gemeinschaftshaushalt drohen, sollte der neue Rechtsstaatsmechanismus eingeführt werden.

Dies könnte zum Beispiel dazu führen, dass das geplante Corona-Konjunkturprogramm nicht starten kann.

Zuvor war bekannt geworden, dass die EU-Kommission in ihrem Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedsstaaten "ernsthafte Bedenken" vor allem mit Blick auf Polen und Ungarn habe. Dabei geht es unter anderem um die Unabhängigkeit der Justiz sowie die Freiheit der Medien in den jeweiligen Ländern.

Strafvoraussetzung aufgeweicht

Der Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sieht unter anderem vor, Kürzungen von EU-Finanzhilfen zu ermöglichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit "in hinreichend direkter Weise" Einfluss auf die Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der Union haben.

Die EU-Kommission hat eigentlich vorgeschlagen, Strafen schon dann zu ermöglichen, wenn ein Mangel an Rechtsstaatlichkeit die Grundvoraussetzungen für eine wirtschaftliche Haushaltsführung zu beeinträchtigen droht.

Es hätte nach Auffassung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft allerdings gegen einen Beschluss des EU-Gipfels im Juli verstoßen, daran festzuhalten. Dort hatten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten festgelegt, dass nur "im Fall von Verstößen" Sanktionen möglich sein sollen.

"Feigheit und Prinzipienlosigkeit"

Aus den Reihen des Europaparlaments war die vorgesehene Aufweichung des geplanten Mechanismus zuletzt heftig kritisiert worden. Abgeordnete bezeichneten den Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft als Zeichen von "Feigheit und Prinzipienlosigkeit".

Verfahren könnte verschärft werden

Auch den Regierungen in den Niederlanden, Finnland, Schweden, Dänemark und Belgien geht der Vorschlag nicht weit genug. Sie konnten ihn aber im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten ebenso wenig blockieren wie Ungarn und Polen.

Das geplante Strafverfahren könnte allerdings verschärft werden. Der Mehrheitsbeschluss der EU-Staaten ist gleichzeitig Startpunkt für Verhandlungen mit dem Europaparlament. Weitere Änderungen des vorgeschlagenen Verfahrens sind demnach möglich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. September 2020 um 12:00 Uhr.