Versammlung der Afrikanischen Union

Afrikanische und europäische Union Partnerschaft auf Augenhöhe?

Stand: 26.02.2020 11:05 Uhr

Die EU will nicht nur die Krisen in Afrika bekämpfen - im Blick sind auch wirtschaftliche Chancen. Heute trifft sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mit Kollegen der Afrikanischen Union.

Von Caroline Hoffmann, ARD-Studio Nairobi

Es war eine Reise mit großer Symbolkraft: In ihrer ersten Woche im Amt als Chefin der Europäischen Kommission reiste Ursula von der Leyen im Dezember nach Äthiopien - auch, um dort ihren afrikanischen Gegenpart, den Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union (AU) zu treffen. Jetzt folgt der nächste Besuch. Mit im Gepäck: alle Kommissare. "Afrika ist ein Partner, auf den die Europäische Union zählt", sagte von der Leyen im Dezember. Doch was möchte sie von der AU?

Was ist die Afrikanische Union?

Die Namen klingen zwar ähnlich, doch die Europäische und die Afrikanische Union sind nicht zu vergleichen, was ihre Befugnisse und Strukturen angeht.

Als "Plauderclub der Diktatoren" war sie verschrien, die "Organisation für Afrikanische Einheit". Der Vorgänger der heutigen Afrikanischen Union wurde 1963 gegründet. Aber Anfang des Jahrtausends sollte alles anders werden, und so gründeten 53 afrikanische Staaten im Jahr 2002 die AU - nach europäischem Vorbild. Die Ziele sind Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika und ein höherer Lebensstandard.

Doch die Union war schnell als Papiertiger verrufen. Sie sei zu zentriert auf die Kommission selbst, zu schwach und zu wenig visionär, hieß es. Vorschläge werden über die Kommission eingebracht, die Mitgliedsstaaten selbst haben weniger Einfluss.

Ein weiteres Problem: Jedes afrikanische Land durfte Mitglied werden. Es gab keine politischen oder ökonomischen Zielvorgaben für einen Eintritt, keine langwierigen Beitrittsverhandlungen wie bei der EU. Um so weniger haben die Staaten gemeinsam, umso weniger stehen sie auf ähnlichen Entwicklungsstufen.

Die AU kommt in Bewegung

Doch mittlerweile ist Bewegung in die Bemühungen des Zusammenwachsens gekommen. Vor allem durch ein großes Projekt: eine Afrikanische Freihandelszone. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 2,5 Billionen Dollar wäre sie die achtgrößte Wirtschaft der Welt. Die ersten Schritte zum Handel in einem Binnenmarkt sollen am ersten Juli dieses Jahres möglich werden, wenn auch noch nicht in allen Ländern des Kontinents. Der Weg, Handelsschranken abzubauen, ist lang und schwierig.

Aber es lohne sich. "Das Abkommen kreiert ein Momentum, die Afrikaner können sich verbinden", sagt der kenianische Ökonom James Shikwati. "Sie können mit einer Stimme sprechen und irgendwann als ein großer Partner neue Handelsabkommen abschließen." Auf lange Sicht solle es dann auch in der Afrikanischen Union eine Freizügigkeit aller Waren und Menschen geben.

Krisen ja, aber Afrika boomt

Der Kontinent bleibt weiter von Krisen und Konflikten geprägt, wie die Situation in Libyen zeigt, die Instabilität und der Terrorismus in der Sahelzone oder im Norden Nigerias, um nur einige Krisenherde zu nennen.

Doch Afrika strebt auch vorwärts. Die Wirtschaft soll zusammenwachsen, die Bevölkerung von derzeit rund 1,2 Milliarden Menschen könnte sich in den nächsten zwei Jahrzehnten verdoppeln. Und viele Staaten und Gemeinschaften wollen an dieser Zukunft teilhaben. Auch die EU.

Die Pläne der EU

Die EU ist der größte Handelspartner Afrikas und gleichzeitig der wichtigste Geldgeber für Entwicklungshilfe und Direktinvestitionen. Auch die EU hat ein Interesse daran, Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit in den Ländern zu bekämpfen. Denn diese sind die Hauptgründe dafür, dass Afrikaner nach Europa flüchten. "Die Sicherheit ist eine zentrale Herausforderung", sagt Tighisti Amare, stellvertretende Direktorin des Afrika-Programms des Chatham House in London. "Zum Beispiel in der Sahelzone mit all seinen Schwierigkeiten. Das betrifft beide Kontinente." Und die wirtschaftlichen Möglichkeiten, in und mit Afrika Geld zu verdienen, kommen dazu.

Von der Leyen spricht sich für eine enge Partnerschaft mit der Afrikanischen Union aus und betont, wie gleichberechtigt diese sein soll. Doch was das genau heißt, hat sie noch nicht skizziert. Mitte März will sie eine neue EU-Afrika-Strategie vorlegen. Im Herbst treffen sich die Staats- und Regierungschefs zum EU-Afrika-Gipfel in Brüssel.

Außerdem läuft in diesem Jahr das sogenannte Cotonou-Abkommen aus: Dieses regelt die Beziehungen zwischen der EU und den sogenannten AKP-Staaten, also 79 Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean. Im Mittelpunkt stehen unter anderem Themen wie Sicherheit, Klimawandel, Menschenrechte, Demokratie und Wirtschaftswachstum.

Bisher ungleiches Machtverhältnis

Für die Afrikanische Union geht es in den Beziehungen zur EU vor allem um die Frage einer engeren Partnerschaft auf Augenhöhe. "Das bisher ungleiche Machtverhältnis kommt vermutlich dadurch, dass es zwischen den Kontinenten immer eine Geber-Empfänger-Beziehung gab", sagt Amare. "Aber das muss sich zu einer Handelsbeziehung verändern, und dann wird es auch eine ausgewogenere Partnerschaft mit gegenseitigem Respekt. Bisher gab es viele Sorgen auf Seiten der Afrikaner, denn die EU hatte aus ihrer Sicht immer die Vorgaben gemacht und oft verpasst, sie einzubeziehen." Und mittlerweile haben die Afrikaner Alternativen gefunden.

Afrika hat Alternativen

Andere Länder investieren bereits massiv in Afrika - allen voran China. Die Volksrepublik baut Straßen, Flughäfen, Häfen und Zugverbindungen in mehreren Ländern, unter anderem die Zug-Linie zwischen Nairobi und Mombasa in Kenia für etwa vier Milliarden Dollar. In Dschibuti hat China seinen ersten Militärstützpunkt auf dem Kontinent eröffnet.

Und China liefert gleich das ganze Paket: Für die großen Projekte werden den afrikanischen Regierungen Kredite gegeben. Nach Menschenrechten oder Demokratie fragt das Land nicht. Die Kehrseite dieses Angebots: Afrikanische Regierungen verschulden sich massiv bei der Volksrepublik und geraten in neue Abhängigkeiten.

Auch andere Länder sind in Afrika aktiv: Russland beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik und die Türkei in Somalia. Für die Afrikaner sei es gut, so viele mögliche Partner zu haben, so sieht es der Ökonom Shikwati. Es verbessere ihre Verhandlungsbasis - auch die mit der EU.

Antje Diekhans, Antje Diekhans, ARD Nairobi, 26.02.2020 20:42 Uhr