EU-Gipfel nach Brexit-Votum "Es war richtig, dies zu tun"

Stand: 29.06.2016 05:37 Uhr

Es war wohl David Camerons letzter Auftritt bei einem EU-Gipfel. Einen Zeitplan für den EU-Abschied legte er nicht vor. Kanzlerin Merkel jedenfalls hält das Votum der Briten für unumkehrbar. Heute tagen die Spitzenpolitiker schon ohne Cameron. Thema: der Brexit.

Der scheidende britische Premier David Cameron hat nach dem Ende des ersten Brüsseler EU-Gipfeltages betont, er bedauere nicht, die Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft angesetzt zu haben: "Es war richtig, das zu tun." Das Ergebnis bedauere er natürlich - genau wie die übrigen EU-Regierungen. Cameron hatte für eine britische EU-Mitgliedschaft geworben. "Es ist eine traurige Nacht für mich", sagte er.

Heute wollen sich die Staats- und Regierungschefs erstmals ohne Cameron treffen. Sie werden darüber beraten, wie die Zukunft der EU ohne Großbritannien aussehen könnte.

Bei der Brexit-Abstimmung in der vergangenen Woche hatten 51,9 Prozent der Wähler für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt. Cameron kündigte daraufhin seinen Rücktritt für den Herbst an.

"Eine Menge Verständnis"

Cameron nannte für den britischen Abschied aus der EU weiter keinen konkreten Zeitplan. Es habe bei den "positiven, konstruktiven, ruhigen und zielgerichteten" Gesprächen "eine Menge Verständnis" dafür gegeben, dass die Regierung in London Zeit benötige, um den Beginn der Austrittsverhandlungen offiziell zu beantragen. Nach Artikel 50 des EU-Vertrages können erst dann die auf zwei Jahre angelegten Verhandlungen über den Austritt erfolgen. Bis zu deren Ende bleibt Großbritannien EU-Mitglied.

Beim Abendessen hatte Cameron laut britischen Regierungsangaben zuvor die 27 anderen EU-Staats- und Regierungschefs aufgefordert, sie sollten eine Reform der Freizügigkeit in Europa in Betracht ziehen. Die ungezügelte Einwanderung aus der EU sei "eine der Triebkräfte" dafür gewesen, dass die Briten für den Austritt gestimmt hätten. Und wenn die EU "enge wirtschaftliche Beziehungen" mit Großbritannien erhalten wolle, dürfe sie "vor dieser Frage nicht zurückschrecken".

Frankreichs Staatspräsident François Hollande machte klar, Großbritannien werde sich nicht nur die Rosinen herauspicken können. Man könne nicht den freien Kapital-, Waren- und Dienstleistungsverkehr in Anspruch nehmen und die Personenfreizügigkeit einschränken - "So läuft das nicht. Es sind die vier Freiheiten oder keine."

Merkel: "Kein Weg, das wieder umzukehren"

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach dem Treffen, sie halte das britische Votum für einen EU-Austritt für unumstößlich. "Ich sehe keinen Weg, das wieder umzukehren", sagte sie. Darüber sei auf dem Gipfel auch gar nicht mit Cameron gesprochen worden. Dies sei nicht die Stunde des Wunschdenkens. "Das Referendum steht da als Realität", sagte Merkel.

Die Kanzlerin begrüßte, dass es schon im September einen neuen informellen Gipfel der 27 ohne Großbritannien geben soll.

Zu dem Gespräch mit Cameron sagte sie: "Die Atmosphäre war ernsthaft, kameradschaftlich und von dem Bewusstsein getragen, dass das ein eher trauriger Anlass ist, aber dass es eine Realität ist." Daraus müssten nun Konsequenzen gezogen werden.

Tusk: "Scheidungsprozess schon heute beginnen"

EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte nach dem Treffen, die Gipfelteilnehmer hätten Verständnis dafür, dass Großbritannien Zeit brauche, bis es den Austritt erklären könne. Es sei ihnen klar, "dass etwas Zeit nötig sei, bis sich der Staub legt. Sie hofften aber auch, dass der offizielle britische Austrittsantrag so schnell wie möglich komme.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, er könne diejenigen nicht verstehen, "die für den Austritt geworben haben, und dann vollkommen unfähig sind, uns zu sagen, was sie wollen". Er sei davon ausgegangen, dass die Brexit-Befürworter "einen Plan" hätten.

Der Kommissionschef bestätigte, dass Cameron beim Abendessen vor allem die Einwanderung aus der EU für das Brexit-Votum verantwortlich machte. Er selbst glaube aber nicht, dass dies der Fall sei. Juncker machte Cameron für das Ergebnis mitverantwortlich: "Wenn man den Menschen jahrelang, jahrzehntelang sagt, dass mit der EU etwas nicht stimmt, muss man nicht überrascht sein, wenn die Wähler das glauben."