Beratungen über Russland-Sanktionen Spaltet Tsipras die Europäische Union?

Stand: 29.01.2015 09:16 Uhr

Die EU-Außenminister stehen heute Nachmittag vor einem schwierigen Treffen: Der alte Konflikt, ob Sanktionen gegen Russland angesichts der Ukraine-Krise das richtige Mittel sind, ist neu aufgebrochen. Verantwortlich ist der neue Mann in Griechenland, Tsipras.

Es ist erst zwei Tage her, dass die Bundesregierung in Gestalt von Finanzminister Wolfgang Schäuble noch einmal mahnte: "Was die Sanktionen betrifft, ist es wichtig, dass die Europäer geschlossen bleiben." Doch genau diese Geschlossenheit scheint mit der neuen griechischen Regierung gefährdet. Seit nämlich der neue starke Mann in Athen, Alexis Tsipras, sich über eine nach seinem Geschmack eben nicht "gemeinsame Erklärung" der EU-Staats- und Regierungschefs beschwerte. Darin hatten die EU-Länder ihre Außenminister beauftragt, neue Sanktionen gegen Russland zu prüfen.

Plant Griechenland den Kurswechsel?

"Ich glaube nicht, dass das Europa spaltet. Ein neuer Regierungschef möchte auch wahr- und ernst genommen werden. Er hat wohl das Gefühl gehabt, da nicht eingebunden gewesen zu sein", sagt Knut Fleckenstein, der für die SPD im EU-Parlament sitzt. Andere in Brüssel sind da nicht so tiefenentspannt wie Fleckenstein. Gut möglich, dass Griechenland einen echten Kurswechsel gegenüber und hin zu Russland anstrebe, sagen Offizielle hinter vorgehaltener Hand.

Schafft es Putin womöglich doch noch, fragen sie sich, den bislang so einheitlich wirkenden EU-Block zum Bröckeln zu bringen? "Wer grundsätzlich nicht mitmacht, muss auch wissen, dass er kein Erpressungspotenzial hat", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, an die Athener Adresse.

Brok: "Sanktionen sind das einzige Instrument"

Ob Poker oder bitterer Ernst: Für heutige und künftige Sanktionsentscheidungen gegenüber Russland ist nicht unerheblich, ob sich die Griechen künftig dichter an Moskau heranrobben. Denn Strafmaßnahmen verlängern oder auch ausweiten kann die EU nur einstimmig: "Wir - die EU und NATO - haben entschieden, wegen der Ukraine nicht Krieg zu führen. Dann bleiben Wirtschaftssanktionen das einzige Instrument, dem Aggressor mitzuteilen, dass Aggression teuer ist", sagt Brok.

Treffen der EU-Botschafter ohne Durchbruch

Einen Vorgeschmack darauf, wie kompliziert die Dinge mit Griechenland noch werden könnten, lieferte das gestrige Treffen der EU-Botschafter in Brüssel: Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, konnten die sich beim entscheidenden Thema Sanktionen gegen Russland bislang nicht einigen. Die einen wollen Putin nach dem erneuten Ausbruch der Kämpfe in der Ukraine härter anpacken, andere fürchten, zu empfindliche Strafen könnten noch vorhandene Gesprächskanäle nach Moskau zuschütten.

"Wir können uns die Regierung dort nicht schnitzen. Aber wir leben zusammen auf einem Kontinent und wir wollen in Frieden leben. Und deshalb bleibt uns nichts anderes übrig als immer wieder der Versuch, ins Gespräch zu kommen", sagt Fleckenstein.

Die entscheidende Passage in der vorbereiteten Abschlusserklärung zum Thema Sanktionen jedenfalls haben die EU-Botschafter zunächst in Klammern gesetzt. Das heißt: Den Außenministern könnte eine heiße Sitzung bevorstehen. Sie werden sich einigen müssen. Besonders genau beäugt wird dabei der neue Vertreter aus Griechenland - und zwar nicht nur von der EU, sondern auch vom Kreml.

Kai Küstner, K. Küstner, NDR Brüssel, 29.01.2015 08:46 Uhr