Vor deutsch-türkischem Spitzentreffen Erdogan spricht deutliche Worte zu EU-Beitritt

Stand: 31.10.2012 11:55 Uhr

Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat mit deutlichen Worten für einen zügigen Beitritt seines Landes zur EU geworben. Er hoffe, dass die Türkei nicht noch zehn Jahre hingehalten werde, sagte er in Berlin. Erdogan trifft heute Kanzlerin Merkel. In Berlin demonstrieren tausende Menschen gegen seine Politik.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Willen seines Landes bekräftigt, zügig Mitglied der Europäischen Union zu werden. Bei einer Veranstaltung in Berlin sagte Erdogan: "Wir bereiten uns darauf vor, dass wir Vollmitglied in der EU werden." Auf die Frage, ob die Türkei bis 2023 EU-Mitglied sein werde, antwortete er: "So lange wird man uns nicht hinhalten, oder?"

Erdogan räumte ein, dass es mit der Zypern-Frage einen zentralen Streitpunkt gebe. Die Türkei erkennt die Republik Zypern im Süden der Insel nicht an - der südliche Landesteil ist EU-Mitglied. Selbstbewusst bot Erdogan Hilfe in der Euro-Finanzkrise an: "Wir erstarken von Tag zu Tag", sagte er. Die Türkei werde jeden Beitrag leisten, damit die Euro-Krise überwunden werden könne. Sein Land werde keine Belastung für die EU sein - "wir kommen, um Last zu übernehmen".

Der von der Türkei angestrebte EU-Beitritt dürfte eines der Themen auf der Agenda der heutigen Gespräche von Kanzlerin Angela Merkel und Erdogan im Kanzleramt sein. Zuletzt war ein Beitritt in weite Ferne gerückt. Außenminister Guido Westerwelle hat einen neuen Anlauf gefordert.

Streitthemen: Kurden und Syrien-Hilfe

Neben bilateralen Fragen stehen im Mittelpunkt der Gespräche auch der Bürgerkrieg in Syrien und die Lage der Flüchtlinge. In der Türkei leben rund 100.000 Syrer in Flüchtlingslagern, die vor dem Bürgerkrieg aus ihrer Heimat geflohen sind. Die Bundesregierung vertritt die Haltung, dass den Flüchtlingen am besten in der Region geholfen werden kann. Sie hat mehr als 50 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme von Flüchtlingen schließt Deutschland nicht aus, sofern es dafür ein internationales Übereinkommen gibt.

Ein Streitthema zwischen Berlin und Ankara ist das Thema Kurden. Erdogan wirft Deutschland und Frankreich vor, nicht entschlossen genug gegen Anhänger der PKK vorzugehen. Am Dienstag hatte Erdogan die neue Botschaft seines Landes in Berlin eröffnet. Dabei forderte er die in Deutschland lebenden Türken auf, sich stärker in die deutsche Gesellschaft einzubringen.

Tausende Menschen demonstrieren gegen Erdogan

Vor dem Brandenburger Tor demonstrierten tausende Menschen gegen die Politik Erdogans. Aufgerufen hat zu der Protestkundgebung die Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF). Die Organisatoren rechnen mit bis zu 10.000 Teilnehmern. Sie werfen Erdogan vor, in Deutschland "Isolationsgesellschaften" zu schaffen, er sei "Architekt einer Parallelgesellschaft unter türkischen Jugendlichen in Deutschland". Weitere Kritikpunkte sind, dass er die Menschenrechte verachte und ein Feind von Kurden und Andersgläubigen sei.

Auch Verbände und Organisationen der in Deutschland lebenden Kurden, Aleviten, Yeziden, Assyrer und Armenier wollen sich an der Veranstaltung beteiligen.