
Russisch-türkisches Verhältnis Brüchige neue Freundschaft
Stand: 03.05.2017 01:27 Uhr
Die Gespräche zwischen Russlands Präsident Putin und seinem türkischen Amtskollegen Erdogan werden nicht einfach: Zwar ist Russland um ein besseres Verhältnis bemüht - doch die erwünschte Solidarität lässt Erdogan mit Blick auf Syrien missen.
Von Hermann Krause, ARD-Studio Moskau
Seit Jahren hat Wladimir Putin keine richtigen Ferien mehr gemacht und auch dieser Aufenthalt in seiner Sommerresidenz am Schwarzen Meer in Sotschi ist mehr Arbeitsurlaub als Freizeit: Nach den schwierigen Gesprächen mit Angela Merkel kommen nun die eigentlich noch komplizierteren Verhandlungen mit Recep Tayyip Erdogan. Denn Putin weiß, wo Merkel steht und welche Positionen sie vertritt - bei Erdogan ist man da nie so sicher.
Dennoch: Seit die Freundschaft zwischen Russland und der Türkei wiederbelebt wurde, ist der russische Präsident um Zusammenarbeit bemüht. "Wir sind uns im Klaren, wie wichtig diese Beziehungen sind", so Putin. "Wir werden alles tun, um sie weiterzuentwickeln." Den türkischen Interessen werde Russland natürlich entgegenkommen, "allerdings werden wir unsere russischen Interessen auch nicht vernachlässigen".
Birgit Virnich, ARD Moskau, zu Erdogans Besuch in Sotschi
tagesschau 12:00 Uhr, 03.05.2017
Differenzen im Syrienkonflikt
Die russischen Interessen in Syrien sind bekannt: Moskau unterstützt Diktator Baschar al-Assad bedingungslos. Neueste Ermittlungen scheinen zu beweisen, wovon alle Welt ausgeht - dass Assad den Giftgasangriff in der Stadt Chan Scheichun zu verantworten hat. Doch der Kreml deckt Syrien: Es gebe keine neutrale Untersuchung des Vorfalls, das Ganze sei konstruiert und eine Provokation, sagte auch Putin.
Die Türkei hingegen sieht Assad hinter dem Angriff, die Beweise seien eindeutig. Kinder, die bei der Chemieattacke verletzt wurden, erhielten in türkischen Krankenhäusern ärztliche Hilfe. Erdogan machte daraufhin zur Verwunderung Moskaus Assad für den Giftgasangriff verantwortlich und forderte dessen Verurteilung. Das hörte man im Kreml gar nicht gerne.
Zusammenarbeit im Energiebereich
Was also bleibt den neuen Freunden? Nach dem letzten Treffen im März sagte Putin, die Türkei und Russland hätten sich darauf verständigt, "an der vollständigen Normalisierung unserer Beziehungen weiterzuarbeiten. Wir haben über die Zusammenarbeit im Energiebereich gesprochen, über den Bau des Atomkraftwerks Akkuyu und über die Gaspipeline Turkish Stream."
Diese Projekte kommen voran, sie werden auch von Russland vorfinanziert. Dafür verlangt der Kreml traditionell Solidarität. Gerade das scheint Erdogan aber nicht zu liefern. Damit weist die angebliche Harmonie Brüche auf: In Syrien bombardiert die türkische Luftwaffe Stellungen der Kurden. Diese werden jedoch von Moskau auch mit Waffen unterstützt.
Sanktionen treffen Wirtschaft
Als Reaktion auf die vielen Unstimmigkeiten hat Russland keineswegs alle gegen die Türkei verhängten Sanktionen aufgehoben: Eines der wichtigsten Exportgüter, türkische Tomaten, dürfen immer noch nicht nach Russland eingeführt werden. Die Türkei hatte daraufhin einen Einfuhrzoll auf russisches Getreide erhoben, was den russischen Exporteuren einen Verlust von mehr als einer Milliarde Dollar beschert hatte.
Zudem ist weiterhin nicht ganz klar, wie es mit den russischen Touristen weitergeht: Als schärfste Sanktion hatte Moskau nämlich alle Charterflüge und Pauschalreisen in die Türkei untersagt. Mittlerweile sind die Buchungen wieder um 40 Prozent angestiegen. Doch der russische Transportminister meinte kürzlich, es könnte durchaus sein, dass wieder ein völliges Verbot verhängt werde. Letztendlich, so die direkte Warnung, liege dies an dem Verhalten der türkischen Regierung.
Nach Merkel besucht Erdogan Putin in Sotschi
H. Krause, ARD Moskau zzt. Sotschi
03.05.2017 00:40 Uhr
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