Österreichs Kanzler Sebastian Kurz

EU-Wiederaufbau nach Corona-Krise "Sparsame Vier" gegen Merkel und Macron

Stand: 23.05.2020 12:24 Uhr

Mit einem 500-Milliarden-Wiederaufbauplan wollen Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron die EU aus der Corona-Krise führen. Die Gruppe der selbst ernannten "sparsamen Vier" hat jetzt einen Gegenentwurf vorgelegt.

Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben einen Gegenvorschlag zu dem deutsch-französischen Vorstoß für einen Corona-Wiederaufbauplan vorgelegt. Die vier Staaten sprechen sich darin für einen einmaligen Notfallfonds zur Stärkung der EU-Wirtschaft aus. Besonders wichtig sei den Staaten eine Befristung dieser Nothilfen auf zwei Jahre, heißt es aus dem österreichischen Kanzleramt in Wien. "Wir wollen eine zeitliche Befristung, damit es wirklich eine Corona-Soforthilfe ist und nicht zu einer Schuldenunion durch die Hintertür wird", erklärte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz.

In dem bereits mehrfach angekündigten Gegenentwurf machen die vier Staaten zudem deutlich, dass sie einer Vergemeinschaftung von Schulden und einer Erhöhung des EU-Budgets nicht zustimmen werden.

Merkel-Macron-Konzept sieht auch Zuschüsse vor

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten zuvor ein Konzept für einen Wiederaufbauplan nach der Coronavirus-Pandemie im Umfang von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen. Demnach soll das Geld von der EU-Kommission über Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und über den EU-Haushalt verteilt werden.

Denn wenn die Länder gemeinsam geradestehen, können sie zu günstigeren Konditionen Geld leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre. Krisenstaaten wie Italien oder Spanien könnten Zuschüsse bekommen, aber auch betroffene Branchen direkt. Zudem soll es Zuwendungen geben, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Dafür müssten sich aber alle 27 EU-Länder einig werden.

Und eine solche Einigkeit ist nicht in Sicht. Kurz hatte in den vergangenen Tagen in zahlreichen Interviews und Auftritten dieses Konzept scharf kritisiert. "Wir sagen klar Ja zu Corona-Soforthilfe, aber was wir ablehnen, ist eine Schulden-Union durch die Hintertür", sagte er etwa am Freitag in einem Gastbeitrag auf dem virtuellen CSU-Parteitag.

Gegenentwurf setzt ausschließlich auf Kredite

Der Gegenentwurf sieht vor, dass die EU-Kommission das Geld für den Notfallfonds an den Finanzmärkten aufnimmt und als günstige Kredite an die Mitgliedstaaten weiterreicht. Die Staaten müssten sich das Geld also aus dem Gemeinschafstopf leihen und später wieder zurückzahlen. Zudem ist der Ausgaberahmen enger gesteckt: Die Mittel müssten für den Wiederaufbau und die künftige Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssektors und der Wirtschaft eingesetzt werden. Einen maximalen Umfang für den Nothilfefonds nannten die vier Staaten, die sich "die sparsamen Vier" nennen, nicht.

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen steht nun vor der schwierigen Aufgabe, ein konsensfähiges Modell zu entwerfen. Sie will ihren eigenen Vorschlag am kommenden Mittwoch vorstellen und strebt bei ihrem "Wiederaufbauinstrument" ein höheres Volumen an: mindestens eine Billion Euro.

EU-Kommission will Zuschüsse und Kredite

Die Kommission setzt dabei auf eine Mischung aus Zuschüssen und Krediten. So soll verhindert werden, dass die EU-Staaten wirtschaftlich noch weiter auseinander driften. Die Krise dürfe nicht als große Fragmentierung Europas in Erinnerung bleiben, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Manfred Weber, Fraktionschef der Christdemokraten im Europaparlament, äußerte sich in der "Passauer Neuen Presse" vorsichtig optimistisch. Angesprochen auf die Kritik von Österreichs Kanzler Kurz an dem deutsch-französischen Plan sagte er: "Kurz stellt nicht das Ob in Frage, sondern das Wie. Da gibt es noch viele offene Fragen." Um die zu klären, bedarf es offensichtlich noch eine Menge diplomatisches Geschick - und Kompromissfähigkeit.

Srdjan Govedarica, Srdjan Govedarica, ARD Wien, 23.05.2020 12:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 23. Mai 2020 Deutschlandfunk um 09:00 Uhr sowie um 12:00 Uhr in den Nachrichten und die tagesschau um 12:00 Uhr.