Ein indigener Bewohner im US-Bundesstaat New Mexico bekommt in der Corona-Krise ein Lebensmittelpaket auf sein Pferd gereicht.

Pandemie in den USA Corona trifft Native Americans besonders hart

Stand: 16.06.2020 08:48 Uhr

Das Coronavirus trifft in den USA die Minderheiten besonders stark: Schwarze, Latinos - und auch die Native Americans, die indigenen Völker. Ihr Gesundheitszustand ist schlechter, ihre Sterberate höher. Dafür gibt es viele Gründe.

Eigentlich hatte das Indian Health Bord - jene Gesundheitsbehörde in Seattle, die sich um die Gesundheit der Native Americans kümmert - die Regierung um Testkits, Handschuhe, Masken und Schutzanzüge gebeten. Doch anstatt dieser konkreten Hilfslieferungen erhielten sie Leichensäcke und Zettel, um die Leichen zu beschriften.

Behördenchefin Esther Lucero war einfach nur schockiert, berichtet sie im Lokalfernsehen: "Wir mussten tief Luft holen. Uns kamen einfach nur die Tränen, als wir die Pakete öffneten. Das hat uns sehr getroffen."

Höhere Covid-19-Sterberate

Für das Indian Health Board symbolisiert diese Sendung, wie Native Americans während der Pandemie behandelt werden. Sie haben laut einer Analyse des APM Research Labs eine höhere Covid-19-Sterblichkeitsrate als Weiße, Asiaten und Latinos. Im Bundesstaat New Mexico machen die Natives fast 60 Prozent der Todesfälle durch Corona aus, aber nur 8,8 Prozent der Bevölkerung.

Britta Guererro ist die Vorsitzende des Sacramento Native American Health Center, einer Non-Profit-Organisation, die sich in Kalifornien um die Gesundheit vieler Native Americans kümmert. Sie sagt: Die indigenen Völker trifft eine Erkrankung nochmal schlimmer als im Vergleich etwa Weiße: "Ähnlich wie bei Schwarzen gibt es mehr chronische Erkrankungen, eine schlechteren Allgemeinzustand, Bluthochdruck, Diabetes, Asthma oder Übergewicht. Und  das führt zu einer höheren Todesrate."

Kein sauberes Wasser, nicht ausreichend Strom

Dazu kommt, dass es vor allem in den Reservaten, wo etwa 22 Prozent der Natives leben, teilweise kein sauberes, fließendes Wasser und eine schlechte Stromversorgung gibt. In den Reservaten leben viele Familien mit mehreren Generationen unter einem Dach. Altersheime gehören nicht in die Kultur der Natives.

Den Älteren kommt eine wichtige Aufgabe zu, wenn es um die Vermittlung von Kultur und Traditionen gehe, erklärt Britta Guerrero, die selbst zum Stamm der Apachen gehört: "Unsere Kultur wird in Geschichten überliefert, nicht über Bücher. Wir haben eine mündliche Tradition."

Das bedeutet aber auch: Wenn mehr ältere Stammesmitglieder sterben, stirbt auch ein Teil der Kultur, der Tradition.

Zugesagte Hilfe kommt nicht

Die Regierung in Washington hat acht Milliarden Dollar an Hilfen versprochen. Die wurden mehrmals zugesagt, doch dann wieder verschoben. Und die Hilfen lösen auch nicht die Probleme, mit denen die Natives schon lange kämpfen: schlechten Zugang zum Internet, Wasser-und Stromversorgung, Krankenhäuser.

Grundsätzlich gerieten die Natives oft aus dem Blickfeld, sagt Guerrero: "Wenn du keinen Politiker siehst, der Native ist, dann denkst du: Hier gehören wir nicht hin. Das Gleiche gilt für Ärzte, Geschäftsführer. Das System hat uns über Jahre erfolgreich ausgeschlossen."

Es ist eine Geschichte, die sich bis zur Besiedlung der Europäer zurückverfolgen lässt. In den ersten 100 Jahren nach der Ankunft der Siedler starben wahrscheinlich um die 80 Prozent der Natives an eingeschleppten Krankheiten wie Pocken, Masern oder Grippe.