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Hintergrund

Beziehungen der EU zu China Partner oder Rivale?

Stand: 14.09.2020 13:59 Uhr

Die EU-Spitzen und China beraten über den Abschluss eines Investitionsabkommens, über das jahrelang verhandelt wurde. Eine Einigung ist schwierig - auch weil viele politische Streitfragen die Beziehungen belasten. Ein Überblick.

Strittige Fragen beim Investitionsabkommen

Ein zentrales Thema des virtuellen Gipfels sind die seit 2013 laufenden Verhandlungen über das geplante Investitionsabkommen. Auf EU-Seite wächst der Druck, bis Jahresende zu einer Einigung zu kommen. Strittig sind viele Details, die den Marktzugang europäischer Firmen in China verbessern sollen. Umgekehrt geht es auch darum, dass die Regierung in Peking die verschiedenen Mittel reduzieren soll, mit denen sie eigene Staatsfirmen bevorzugt und subventioniert.

Derzeit ist der Zugang zum chinesischen Markt für ausländische Investoren in Dutzenden Bereichen über Negativlisten entweder noch verboten oder beschränkt – auch wenn diese Listen von Jahr zu Jahr kürzer wurden. Das Investitionsschutzabkommen soll auch Themen wie Sozialstandards, Arbeitnehmerrechte, erzwungenen Technologietransfer und Nachhaltigkeit abdecken.

Die Regierung in Peking machte zwar im Laufe der mittlerweile mehr als 30 Verhandlungsrunden einige Zugeständnisse. Gerade wegen der zunehmenden politischen Spannungen drängt die EU-Kommission als Verhandlungsführer aber auf ein weitreichendes Abkommen, das viele Fragen als Gesamtpaket regeln soll. Ein großes Entgegenkommen von Chinas Führung ist allerdings derzeit nicht absehbar. Das gilt besonders für Branchen, in denen die Volksrepublik die Weltmarktführerschaft der eigenen Unternehmen anstrebt, sowie in Schlüsselsektoren der eigenen Versorgung.

Kuka-Roboter werden in einer Produktionshalle der Kuka-Zentrale montiert.

2016 übernahm eine chinesische Firma den Roboterhersteller Kuka - das löste eine Debatte über Marktbedingungen und strategisch wichtige Firmen aus.

Geschäftsreisen kaum möglich

Die nationalen Einreisebeschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie entwickeln sich zunehmend zu einem Problem für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der EU. Aufgrund der bestehenden Regeln sei es für Unternehmen weiter schwierig, Mitarbeiter zurück nach China zu bringen, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer. Auch Geschäftsreisen seien kaum möglich. EU-Firmen kämpfen den Angaben zufolge mit Problemen bei der Visavergabe.

Außerdem müssen sich EU-Bürger, die nach China kommen, zunächst für 14 Tage in einem Hotelzimmer in Quarantäne begeben. Erst dann dürfen sie sich frei bewegen. Der deutschen Maschinenhersteller-Verband VDMA beschrieb die Folgen dieser Situation vor wenigen Tagen so: "Die chinesischen Kunden warten händeringend auf Monteure sowie Servicetechniker, und auch Geschäftsverhandlungen können mitunter nicht zu Ende gebracht werden."

Kritik an Pekings antidemokratischem Kurs

Ein Land - zwei Systeme. In den frühen 1980er-Jahren erlangte dieses Prinzip in der Volksrepublik China Verfassungsrang. Konkret wurde damit festgeschrieben: Taiwan, Macau und Hongkong sollen ihre eigenen kapitalistischen, wirtschaftlichen und politischen Systeme beibehalten, während in der Volksrepublik China ein sozialistisches System gilt. 

Dieses Prinzip gilt de facto nicht mehr. Denn Anfang Juli hat China ein "Sicherheitsgesetz" in Kraft gesetzt, das massiv in den Autonomiestatus Honkongs eingreift. 1997 hatte London die einstige britische Kronkolonie an Peking übergeben. Der politische und wirtschaftliche Sonderstatus Hongkongs sollte laut Übergabevertrag 50 Jahre gelten. In den vergangenen Jahren ist die Demokratie Hongkongs aber durch immer massivere Einmischung Pekings mehr und mehr unterdrückt worden. Westliche Länder reagieren mit heftiger Kritik auf Pekings antidemokratischen Kurs. Die EU bezeichnet China mittlerweile offen als "systemischen Rivalen".  

Menschenrechte nur auf dem Papier

"Der Staat respektiert und gewährleistet die Menschenrechte." 2004 hatte die Volksrepublik China diesen Satz in ihre Verfassung aufgenommen. Aber eingelöst wurde er laut Amnesty International und Human Rights Watch nie. Die Menschenrechtsorganisationen registrieren anhaltende Menschenrechtsverletzungen vor allem in den autonomen Regionen Tibet und Sinkiang. Im westchinesischen Xinjiang sollen Berichten zufolge bis zu eine Million ethnische Uiguren, Kasachen und Angehörige anderer Minderheiten in Lagern festgehalten werden. Mit Schlägen, Folter und Gehirnwäsche sollen Muslime dort "umerzogen" und zur Abkehr von ihrem Glauben gezwungen werden. 

Mutmaßliches Umerziehungslager China

Ein mutmalißes Umerziehungslage in Xinjiang - die chinesische Regierung bestreitet die Existenz solcher Einrichtungen.

Territoriale Ansprüche

China will Weltmacht werden und fordert im Pazifikraum die Vereinigten Staaten heraus. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die USA hier die dominierende Macht. China fomuliert nun immer offener und unverhohlener seine Ansprüche im Südchinesischen Meer und gerät dabei nicht zuletzt im Streit um Rohstoffe und Fischfangrechte mit Ländern wie Vietnam, den Philippinen und Malaysia aneinander. In den vergangenen Jahren hat Peking künstliche Inseln im Meer aufschütten lassen, angeblich um "im Katastrophenfall humanitäre Hilfe zu leisten". Satellitenfotos zeigen Radarstationen, Start- und Landebahnen sowie Raketenbasen.  

Rivalität mit Indien

Die beiden Atommächte Indien und China liefern sich einen immer härteren Konkurrenzkampf um Absatz- und Handelsmärkte. China baut im ostiranischen Chabahar einen großen Freihafen. Gleiches geschieht wenige Hundert Kilometer weiter östlich auch im pakistanischen Gwadar. Über beide Häfen will Peking Waren und Güter aus und für Westchina umschlagen. Beide Häfen mit den dazugehörenden Handelsrouten stehen in Konkurrenz zu indischen Projekten. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt rüsten gefährlich an der gemeinsamen Grenze auf. Erst jüngst kam es zu Scharmützeln mit Todesfolge. 

Chinas Schuldenfalle

Vordergründig soll das Projekt Neue Seidenstraße den Handel Chinas mit der Welt fördern. Peking investiert Hunderte von Milliarden Dollar in Infrastrukturprojekte.  Doch das chinesische Engagement hat für die betreffenden Länder oft einen hohen Preis. Denn, so warnt eine Studie des Global Center for Development, Staaten wie Laos, Kirgistan, Montenegro oder Dschibuti droht eine hohe Staatsverschuldung. Pekings Investitionen in zahlreichen Ländern Asiens und Afrikas erfolgen oft auf Basis von Krediten und sind an ein erhofftes Wirtschaftswachstum in den betroffenen Ländern geknüpft. Bleibt das aus, schnappt die Schuldenfalle zu, weil Peking auf Tilgung der Schulden besteht. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 14. September 2020 um 12:15 Uhr.