Medizinprodukt-Branche im Fokus EU zieht Lehren aus Brustimplantate-Skandal

Stand: 26.09.2012 16:45 Uhr

Nach dem Skandal um minderwertige Brustimplantate will die EU-Kommission die Medizinprodukt-Branche stärker unter die Lupe nehmen. Unangemeldete Kontrollen gehören zu einem Maßnahmenkatalog, mit dem EU-Kommissar Dalli für mehr Sicherheit für Patienten sorgen möchte.

Von Birgit Schmeitzner, ARD Berlin

Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel

Der Skandal um minderwertige Brustimplantate hat die EU-Kommission wachgerüttelt. Gesundheitskommissar John Dalli spricht von einem Betrug, der das Vertrauen der Menschen erschüttert habe. Als Konsequenz schlägt Dalli eine ganze Reihe von Maßnahmen vor. Zum Beispiel, dass die Unternehmen künftig auch ungemeldet kontrolliert werden.

"Wenn es diese Kontrollen gegeben hätte, dann hätte man die Vorgänge in der französischen Firma schon vor Jahren aufdecken können", sagt Dalli. So profitierte sie aber davon, dass die Kontrollen mit einem zweimonatigen Vorlauf angekündigt wurden - genug Zeit, rechtzeitig alle Hinweise auf das nicht genehmigte, minderwertige Silikon verschwinden zu lassen.

Die Folgen sind bekannt. Die Hülle der Implantate wurde rissig, Behörden in vielen EU-Staaten – auch in Deutschland – empfahlen den betroffenen Frauen, sich die künstlichen Polster vorsorglich entfernen zu lassen.

Produkte lückenlos verfolgen

Der Skandal hatte auch die Frage nach der Rückverfolgbarkeit aufgeworfen. Ließ es sich doch nur schwer nachvollziehen, welche Frauen konkret betroffen waren. Hier will der EU-Gesundheitskommissar erreichen, dass der Weg der Produkte lückenlos verfolgt werden kann, auch über eine eigene Seriennummer.

Das würde es Dalli zufolge erleichtern, bei dem Verdacht eines Sicherheitsrisikos schnell und effektiv einzuschreiten. Etwa eine Rückrufaktion zu starten, auf Grundlage einer garantiert vollständigen Liste der Betroffenen. Ein weiterer zentraler Vorschlag betrifft Datenlage und Datenaustausch. Dalli will eine europäische Datenbank, in der sich Ärzte und Patienten gleichermaßen informieren können.

Birgit Schmeitzner, B. Schmeitzner, BR Brüssel, 26.09.2012 15:52 Uhr

Und die nationalen Kontrollstellen sollen künftig miteinander reden, grenzüberschreitend Informationen austauschen. Das Echo im Europaparlament auf Dallis Vorschläge ist positiv. Der gesundheitspolitische Sprecher der Konservativen, Peter Liese, spricht von einem guten Ansatz, um die Bürger vor Betrügern zu schützen.

Keine große Belastung für die Unternehmen

Lieses CDU-Kollege Thomas Ulmer, ebenfalls ein Arzt, glaubt nicht, dass die neuen Auflagen für die Hersteller allzu belastend sein würden. "Für die Unternehmen würde es bedeuten, dass sie geringe Mehrkosten haben, die im einstelligen Prozentbereich liegen. Für die Patienten wird es eine wesentlich höhere Sicherheit bedeuten", sagt Ulmer. Der Markt werde insgesamt in seiner Größe durch dieses Vorhaben nicht beeinflusst.

Die EU-Kommission bescheinigt der europäischen Medizinprodukt-Branche ein hohes Maß an Innovation. Zudem ist dieser Bereich auch nicht gerade klein, das Marktvolumen liegt bei geschätzt 95 Milliarden Euro im Jahr. Die neuen Regeln, so sie von Europaparlament und den 27 Mitgliedstaaten befürwortet werden, würden für eine große Bandbreite an Produkten gelten.

Für die erwähnten Brustimplantate ebenso wie für Herzschrittmacher und Röntgengeräte, Brillen, HIV- und Gentests. Die derzeit geltenden europäischen Vorschriften stammen noch aus den 90er Jahren.