Der britische Premierminister Boris Johnson

Vor Brexit-Votum im Unterhaus Auf wen kann Johnson zählen?

Stand: 18.10.2019 12:47 Uhr

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Das gilt auch für Premier Johnson, der morgen den mühsam mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal durchs Unterhaus bekommen muss. Die große Frage: Wer spielt mit?

Die Spannung steigt. Sicher ist zur Zeit nur, dass es morgen knapp wird. Eine krachende Niederlage, wie sie Theresa May mit ihrem Austrittsabkommen drei Mal erlebte, wird es diesmal wohl nicht geben. Aber auch keinen rauschenden Sieg für Premierminister Boris Johnson. 

Auf die Abgeordneten seiner Konservativen kann Johnson weitgehend zählen. Fragezeichen stehen lediglich hinter den Brexit-Hardlinern der European Research Group in der Fraktion. 28 Abgeordnete zählen zu dieser Gruppe. Sie stimmten in der Vergangenheit konsequent gegen Mays Deal, jetzt werden sie wohl mit Ausnahme weniger ganz harter Brexiteers für Johnsons Deal votieren.

Andrew Bridgen gehört zu dieser Gruppe. "Falls nicht noch irgendein Teufel im Detail auftaucht, werde ich dafür stimmen", sagt er. "Wir müssen das jetzt über die Linie bringen. Wir müssen vorankommen. Meine Wähler sind Brexit-müde. Und dieser Deal ist viel besser als das May-Abkommen."

Auch konservative Rebellen wohl im Boot

Insgesamt braucht Johnson für eine Mehrheit wohl etwa 320 Abgeordnete. Die Tories haben aber inzwischen nur noch 287 Parlamentarier - 21 wurden aus der Fraktion ausgeschlossen, als sie mit der Opposition ein Gesetz durchbrachten, das einen ungeregelten Austritt ausschließt. Die meisten dieser konservativen Rebellen werden jetzt für das Abkommen stimmen.

Unter ihnen ist auch der Churchill-Enkel Nicholas Soames, der dem Premierminister zum Abschluss dieses Abkommens gratuliert: "Mein Streit mit dem Premierminister ging nur um die Frage eines No-Deal-Brexits. Jetzt gibt es einen Deal und deshalb werde ich dafür stimmen." Er gehe davon aus, dass mehr oder weniger alle 21 konservativen Rebellen Ja sagen werden.

Nordirische DUP bleibt bei Ablehnung

Aber auch wenn diese zur Zeit fraktionslosen Rebellen ihren Frieden mit dem Premierminister machen, hat er immer noch keine Mehrheit. Johnson hatte gehofft, dass er die DUP, die Partei der nordirischen Protestanten und traditionellen Alliierten der Konservativen, auf seine Seite ziehen könnte.

Doch die zehn DUP-Abgeordneten lehnen das Abkommen ab. Das haben sie heute noch einmal klargemacht. "Wir glauben, dass dieses Abkommen die Einheit des Vereinigten Königreichs beschädigt", sagt Sammy Wilson, der Brexit-Sprecher der DUP. "Es wird auch den Separatisten in Schottland Auftrieb geben. Und es wird der nordirischen Wirtschaft schaden."

Die schottischen Nationalisten werden Johnson auch nicht unterstützen, ebenso wenig wie die EU-freundlichen Liberaldemokraten. Vielleicht findet er aber Hilfe bei Labour, der größten Oppositionspartei. Ihr Anführer Jeremy Corbyn lehnt zwar jegliche Unterstützung für Johnson vehement ab. Aber eine Handvoll Labour-Parlamentarier hatte auch schon für Theresa Mays Deal gestimmt.

Was macht Labour?

Es könnten jetzt mehr werden, die so denken wie der Labour-Abgeordnete Graham Stringer. Er vertritt einen Wahlkreis, in dem die Mehrheit beim EU-Referendum für den Austritt gestimmt hat. Das jetzt vorliegende Abkommen sei zwar schlecht, sagt Stringer. Aber konfrontiert mit der Alternative, dass es sonst vielleicht gar keinen Austritt gebe, werde er wohl dafür stimmen.  

Wenn es ganz knapp wird, könnte vielleicht ausgerechnet Boris Johnsons Bruder Jo zum Zünglein an der Waage werden: Er hatte das Kabinett aus Protest gegen die Brexit-Politik seines großen Bruders verlassen und ist eigentlich für ein zweites Referendum. Noch hat Jo Johnson nicht gesagt, wie er morgen abstimmen wird.

 

Jens-Peter Marquardt, Jens-Peter Marquardt, ARD London, 18.10.2019 12:03 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. Oktober 2019 um 12:00 Uhr.