Brexit und Flüchtlingskrise Zähes Ringen - Griechen drohen mit Blockade

Stand: 19.02.2016 19:22 Uhr

Jetzt wird's richtig schwierig in Brüssel: Die Griechen verknüpfen Flüchtlingspolitik und Brexit-Verhandlungen - und drohen offen mit Blockade. Die anderen Staaten dürften ihre Grenzen nicht einseitig für Flüchtlinge schließen - so die Forderung aus Athen. Sonst: Kein Ja zu einem Brexit-Deal.

Die ohnehin schon schwierig-zähen Brexit-Verhandlungen in Brüssel werden noch problematischer: Die griechische Regierung machte offenbar Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik von ihrem Ja zu einem Abkommen mit Großbritannien abhängig. Konkret geht es den Griechen um eine Zusicherung, dass die anderen EU-Staaten bis zum nächsten EU-Gipfel im März ihre Grenzen nicht einseitig für Flüchtlinge schließen.

"Wir verlangen eine einstimmige Entscheidung, dass bis zum 6. März kein Staat einseitig seine Grenzen schließt", sagte ein griechischer Regierungsvertreter in Athen mehreren Nachrichtenagenturen. "Wenn nicht, wird die griechische Regierung dem Abschlusstext nicht zustimmen" - in dem Fall könnte der Briten-Deal nicht besiegelt werden. Der 6. März ist demnach der Termin für den in der Nacht vereinbarten Sondergipfel mit der Türkei.

Griechenland steht in der Flüchtlingskrise erheblich unter Druck. Vor allem die osteuropäischen Staaten der Visegrad-Gruppe drohen Griechenland offen mit einem Rauswurf aus dem Schengen-Raum, weil die Regierung in Athen die Flüchtlinge nur "durchwinke". Auch die Drohung, die Grenze zum Nicht-EU-Land Mazedonien zu schließen, steht im Raum. In Griechenland käme es dann zu einem "Stau". Flüchtlinge kämen nicht weiter nach Europa.

Angst vor Dominoeffekt auf der Balkanroute

In der Tat ist Griechenland mit der hohen Zahl an ankommenden Menschen überfordert, auch der Bau der Registrierzentren kommt nur unzureichend voran. Die Angst vor einem Dominoeffekt auf der Balkanroute ist nicht neu, Abschotttungsbeschlüsse verstärken diese Befürchtung. Österreich setzte eine Tages-Obergrenze für Flüchtlinge in Kraft. Ab sofort würden an Österreichs Südgrenze nur noch maximal 80 Asylbewerber pro Tag akzeptiert, teilte die Polizei mit. Bis zu 3200 weitere Flüchtling dürfen Richtung Deutschland weiterreisen. Serbien schloss Medienberichten zufolge vorübergehend Übergänge zu Mazedonien.

"Wenn Österreich seine Grenzen dicht macht, wird es einen Dominoeffekt Richtung Griechenland geben", sagte der Regierungsvertreter in Athen. Demnach sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel Tsipras beim Gipfel bereits zu, dass Deutschland seine Grenzen bis zum 6. März nicht schließen werde. "Wir verlangen von den anderen Mitgliedstaaten dasselbe."

Brexit-Verhandlungen torpedieren Zeitplan

Schon ohne die griechische Veto-Drohung lagen die Verhandlungen mit Großbritannien weit hinter dem Zeitplan. Aus einem zunächst anvisierten "Englischen Frühstück" in der Runde aller 28 Staats- und Regierungschefs wurde ein "Englisches Mittagessen", das aber immer wieder verschoben wurde. Die eigentlich für 16 Uhr angesetzte gemeinsame Arbeitssitzung der 28 Staats- und Regierungschefs wurde auf das Abendessen verschoben und die Delegationen aufgefordert, Hotelzimmer zu reservieren. Man plant also bereits mit einer Verlängerung bis morgen.

Cameron hatte nach den abgebrochenen Verhandlungen der vergangenen Nacht erklärt: "Wir haben einige Fortschritte gemacht, aber es gibt noch keine Vereinbarung. Ich werde mich nur auf eine Vereinbarung einlassen, wenn wir bekommen, was Großbritannien braucht." In der Nacht ging es nach Angaben von Diplomaten vor allem um Details, etwa wie lange es Großbritannien erlaubt werden solle, EU-Ausländern von Sozialleistungen auszuschließen.

Schulz kritisiert Cameron

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mahnte den britischen Premier zur Kompromissbereitschaft: "Die Methode 'Ich sage euch, was ihr mir geben müsst, damit ich hierbleibe', die funktioniert nicht." Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in der Nacht für einen Kompromiss geworben, weil die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft Großbritanniens viel größer seien, "als die Nachteile eines Ausscheidens wären".

Cameron will die Briten voraussichtlich im Juni über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Davor verlangt er eine Reihe von EU-Reformen. Umstritten ist insbesondere die Streichung von Sozialleistungen für EU-Ausländer, um die Zuwanderung nach Großbritannien zu begrenzen. Widerstand gibt es auch gegen die Forderung nach einem stärkeren Mitspracherecht bei Entscheidungen der Euro-Länder und Ausnahmen von der europäischen Bankenaufsicht.

Frankreich warnt vor zu großen Zugeständnissen

Hier wehrt sich insbesondere Frankreich gegen zu große Zugeständnisse an die Briten oder gar ein Veto. Er werde sich dafür einsetzen, dass es eine geschlossene Finanzmarktaufsicht gebe, die "über alle Plätze in Europa wacht", damit "mit denselben Organen gegen Spekulationen und Finanzkrisen gekämpft werden kann", sagte Frankreichs Staatschef François Hollande.