Vizepräsidentin Kamala Harris und der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, applaudieren Joe Biden bei der Rede zur Lage der Nation.

Rede zur Lage der Nation Biden reicht Republikanern die Hand

Stand: 08.02.2023 06:45 Uhr

In der Rede zur Lage der Nation hat US-Präsident Biden mehrfach und leidenschaftlich die Republikaner zur Zusammenarbeit aufgerufen. Es gehe darum, "die Arbeit zu Ende zu bringen". Der Ukraine sagte er Unterstützung zu, "so lange es dauert".

US-Präsident Joe Biden hat den Republikanern im Kongress die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt. "An meine republikanischen Freunde: Wir konnten im letzten Kongress zusammenarbeiten, es gibt keinen Grund, warum wir nicht auch in diesem Kongress zusammenarbeiten und einen Konsens über wichtige Dinge finden können", sagte er in seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Kongresskammern. Konflikte würden das Land nicht weiterbringen.

Biden sah sich bei seiner Ansprache mit neuen Mehrheitsverhältnissen im Kongress konfrontiert. Seit Januar sind seine Demokraten im Repräsentantenhaus in der Minderheit, was es für die Regierung noch schwieriger macht, Gesetzesvorhaben umzusetzen. Die Republikaner haben bei den Zwischenwahlen im November eine knappe Mehrheit in der Parlamentskammer errungen.

"Man sagt uns oft, dass Demokraten und Republikaner nicht zusammenarbeiten können", sagte Biden weiter. "Aber in den vergangenen zwei Jahren haben wir den Zynikern und Pessimisten das Gegenteil bewiesen."

US-Präsident Biden stellt in Rede an die Nation die Innen- und Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt

tagesschau 09:00 Uhr

"Den Job zu Ende führen"

Die Republikaner sollten sich mit ihm darum bemühen, "den Job zu Ende zu führen", die Wirtschaft wieder aufzubauen und das Land zu einen. Er verwies dabei auf Fortschritte in seinen ersten zwei Amtsjahren, die aus seiner Sicht auf parteiübergreifende Zusammenarbeit zurückzuführen seien. Dazu gehörten Initiativen für den Ausbau der Infrastruktur in den US-Staaten und die Förderung der Hightech-Industrie.

Biden kritisierte die Republikaner aber auch - etwa für ihren sozialpolitischen Kurs. Anstatt die Reichen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen zu lassen, wollten einige Republikaner Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsbezüge alle paar Jahre auf den Prüfstand stellen. Er werde aber nicht zulassen, dass bei der Sozialversicherung gekürzt werde, versprach der Demokrat.

Gegen mögliche Vorstöße in diese Richtung werde er ein Veto einlegen. Einige Republikaner reagierten bei der Ansprache mit Zwischenrufen auf Bidens Aussagen an dieser Stelle.

US-Präsident Joe Biden hält seine Rede zur Lage der Nation. Vizepräsidentin Harris und der Sprecher der Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, hören zu.

Vizepräsidentin Harris und der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, hören der Rede von US-Präsident Biden vor beiden Kammern des Kongresses zu.

Biden verweist auf neue Arbeitsplätze

Biden rühmte die robuste US-Wirtschaft und die niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent auch als Leistung seiner Regierung. "Wir haben bereits 800.000 gut bezahlte Arbeitsplätze in der Fertigung geschaffen, das schnellste Wachstum seit 40 Jahren", sagte Biden und kündigte die Schaffung weiterer Hunderttausender Jobs an. "Ich meine im ganzen Land, nicht nur entlang der Küste, sondern auch mitten durch das Land."

Die Inflation - bedingt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg - sei zwar noch immer ein großes Problem, doch Sprit- und Nahrungsmittelpreise würden in den USA inzwischen wieder fallen. "Wir sind im Moment besser aufgestellt als jedes andere Land der Erde."

Verbot von automatischen Waffen gefordert

Im Kampf gegen die grassierende Waffengewalt rief Biden zum Verbot von Sturmgewehren auf. Wie vor knapp 30 Jahren müsse es ein Gesetz zur Abschaffung der automatischen Waffen geben. Damals sei die Regelung schließlich ausgelaufen, daraufhin habe sich die Zahl der Toten durch Massaker verdreifacht. "Lassen Sie uns die Arbeit beenden, verbieten Sie diese Sturmgewehre!", rief Biden.

Parteiübergreifende Unterstützung forderte er auch für Reformen bei der Polizei. "Wenn Polizeibeamte oder Polizeidienststellen das Vertrauen der Öffentlichkeit verletzen, müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden." Bei der Ansprache anwesend waren auch die Mutter und der Stiefvater von Tyre Nichols. Der Afroamerikaner war am 7. Januar bei einer Verkehrskontrolle in Memphis im Bundesstaat Tennessee von fünf Schwarzen Polizisten brutal zusammengeschlagen worden und infolge seiner Verletzungen gestorben.

Nancy Pelosi (Mitte) während der Rede von US-Präsident Joe Biden

Die Demokratin Nancy Pelosi (Mitte), bis Anfang des Jahres noch Sprecherin des Repräsentantenhauses, wurde vom Präsidenten zu Beginn seiner Rede persönlich begrüßt.

Biden sichert Ukraine langfristige Unterstützung zu

Der Ukraine sagte er einmal mehr langfristige Unterstützung bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zu. "Wir werden Ihnen zur Seite stehen, so lange es nötig ist."

Der von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete "brutale" Angriff auf die Ukraine habe Amerika und die Welt auf die Probe gestellt, sagte Biden. Amerika und seine Partner stünden ein für die Demokratie und grundsätzliche Werte.

Klare Worte an die chinesische Regierung

Nach dem viel diskutierten Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons warnte Biden während seiner Rede die Führung in Peking: "Wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln, um unser Land zu schützen, und das haben wir getan."

Er sei aber entschlossen, mit China dort zusammenzuarbeiten, wo amerikanische Interessen zum Wohle der Welt gefördert werden könnten. Er habe dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass die USA den Wettbewerb suchten, nicht den Konflikt.

Das Auftauchen des chinesischen Ballons hat die ohnehin frostigen Beziehungen beider Länder noch weiter abgekühlt. Das US-Militär hatte das Flugobjekt über dem Atlantik abgeschossen. Kritik kam von Seiten der Republikaner: Biden hätte zögerlich und nicht entschlossen genug gehandelt.

"Unsere Demokratie ist trotz blauer Flecken ungebeugt"

Der US-Präsident beschwor auch die Stärke der Demokratie im Land. "Vor zwei Jahren stand unsere Demokratie ihrer größten Bedrohung seit dem Bürgerkrieg gegenüber", sagte Biden vor dem Kongress mit Blick auf die Kapitol-Erstürmung am 6. Januar 2021. "Heute ist unsere Demokratie trotz blauer Flecken ungebeugt und ungebrochen."

Der Präsident muss laut US-Verfassung dem Kongress in Abständen Rechenschaft ablegen zu der Situation im Land. Auch wenn dies ursprünglich nur als Bericht des Staatsoberhaupts an die Legislative gedacht war - früher reichten Präsidenten ihn schriftlich ein - stellt die Rede im Zeitalter von Massenmedien eine der wichtigsten Möglichkeiten für einen US-Präsidenten dar, sich direkt an das Volk zu wenden.

Julia Kastein, Julia Kastein, ARD Washington, 08.02.2023 06:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 08. Februar 2023 um 04:58 Uhr.