Drohung mit Blockade der Union Berlusconi fordert Maulkorb für EU-Kommissare

Stand: 02.09.2009 06:37 Uhr

Fast kein Tag vergeht in Italien, an dem Ministerpräsident Berlusconi derzeit nicht zu Attacken gegen seine Gegner ausholt. Jetzt ist die EU-Kommission dran: Wegen kritischer Fragen zur Flüchtlingspolitik forderte Berlusconi einen Maulkorb für die EU-Kommissare und ihre Sprecher.

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Auch Italiens Ministerpräsident war gestern in Danzig bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns. Doch die Geschichte ist es nicht, die Silvio Berlusconi in diesen Tagen beschäftigt. Deutet man die Zeichen richtig, dann macht sich Italiens Premier vor allem um seine eigene politische Zukunft Sorgen. Nach dem Ende der Sommerpause vergeht fast kein Tag, an dem er nicht zu schweren Attacken gegen vermeintliche oder tatsächliche politische Gegner ausholt.

"Wir werden die EU blockieren"

Gestern nun richtete sich der geballte Zorn Berlusconis gegen die Kommission der Europäischen Union und vor allem ihre Sprecher. Am Rande der Veranstaltung in Danzig wurde Berlusconi von italienischen Journalisten gefragt, was er denn auf die Anfragen der Union zu Italiens Flüchtlingspolitik sagen will.

Silvio Berlusconi

Sorgen um die politische Zukunft? Silvio Berlusconi ist offenbar auf Krawall gebürstet.

Antwort Berlusconi: Das sei doch alles nicht wahr. "Da werden doch einfach nur Äußerungen eines Sprechers instrumentalisiert, und dieses Problem werde ich beim nächsten Gipfel auf den Tisch bringen", sagt er. Und weiter: "Meine Position ist klar: Wir werden die Europäische Union blockieren, wenn nicht bestimmt wird, dass kein EU-Kommissar und kein Kommissionssprecher öffentlich zu irgendeinem Thema Stellung nimmt, das darf nur noch der Kommissionspräsident oder sein Sprecher." Ein Maulkorb für EU-Kommissare und ihre Sprecher.

Hintergrund der Veto-Drohung ist eine EU-Anfrage zur Flüchtlingstragödie auf dem Mittelmeer, bei der im August mehr als 70 Menschen ums Leben kamen. Ein Sprecher der Kommission hatte daraufhin Malta und Italien um Informationen gebeten. Für Berlusconi offensichtlich eine Frage zu viel. "Sollten Kommissare und deren Sprecher diesen Trend fortsetzen, müssen sie definitiv entlassen werden."

Schulz: "Tiefverwurzelte EU-Feindlichkeit"

Johannes Laitenberger müsste nach Berlusconis Logik als Sprecher von EU-Kommissionspräsident Barroso nicht um seinen Job fürchten. Auch wenn er gestern auf Anfrage zum Thema Pressefreiheit in Italien Stellung genommen hat. Zum Frontalangriff Berlusconis auf die Kommission sagte Laitenberger, man dürfe nicht jede Anfrage der Europäischen Union als Kritik interpretieren. Die EU-Kommission behandle Italien wie immer objektiv und regelkonform.

Deutlicher wird der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft und Kommissionspräsident Barroso sollten auf diesen "unerhörten" Angriff auf die EU-Institutionen reagieren, fordert Schulz in einer Pressemitteilung. Berlusconis Äußerungen seien Ausdruck einer "tiefverwurzelten EU-Feindlichkeit".

Die Opposition in Italien nennt die Aussagen des Premierministers lächerlich. Dario Franceschini Chef der Demokratischen Partei: "Das ist eine Strategie der Einschüchterung. Jeder, der den Ministerpräsidenten und seine Regierung kritisiert, sei es die Presse oder die Opposition, und jetzt die EU, wird eingeschüchtert. Und soll nichts mehr sagen." Es gebe 27 Staaten in der Union, und er verstehe nicht, warum nur Italien diese Probleme habe.

"Ich bin nicht krank, ich bin Superman"

Gestern die Europäische Union, vorgestern kritische Medien in Italien. Berlusconi führt zur Zeit einen Mehrfrontenkrieg. Zum Gerücht, er sei erkrankt, wollte Berlusconi gestern keine Stellung nehmen. Nur so viel: "Ich bin nicht krank. Im Gegenteil: Ich bin Superman!"