Interview

Corona-Arzt aus Wuhan Kämpfer gegen das "listige" Virus

Stand: 01.04.2020 03:58 Uhr

Der chinesische Arzt Luo Fengming hat in Wuhan gegen den Corona-Ausbruch gekämpft. Im Interview mit tagesschau.de erklärt er, warum das Virus "listig" ist und wie sich Deutschland auf steigende Infektionszahlen vorbereiten kann.

tagesschau.de: In Deutschland bereiten sich Kliniken auf eine steigende Zahl von Infizierten vor. Was ist aus Ihrer Sicht und Erfahrung jetzt wichtig?

Luo Fengming: Man braucht Spezialisten für Atemwegserkrankungen, Infektionen und auch für Intensivmedizin. Sie sollten auch mehr persönliche Schutzausrüstung bereithalten. Und ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass die Diagnose des Patienten im Frühstadium passiert, damit man alles dafür tun kann, dass es nicht zu einem schweren Krankheitsverlauf kommt.

Keine infizierten Ärzte

tagesschau.de: Sie betonen oft die Bedeutung von Schutzausrüstung - warum?

Luo: Die persönliche Schutzausrüstung ist sehr, sehr wichtig. Das müssen Regierungen verstehen. Nur Ärzte und Klinikmitarbeiter, die gut geschützt sind, können Patienten auch gut helfen. N95-Masken, Gesichtsschutz und Schutzanzüge sind sehr wichtig. Nach unserer Arbeit haben wir immer alles ausgezogen und uns gründlich die Hände gewaschen.

Als wir vom Krankenhaus ins Hotel zurückkehrten, haben wir auch sorgfältig den ganzen Körper gewaschen. Wegen all dieser Maßnahmen hat sich von uns niemand mit dem Virus infiziert. Mein Team und ich sind jetzt aus Wuhan in unsere Heimatprovinz Sichuan zurückgekehrt und alle wurden zweimal getestet - alle von uns sind negativ.

Übergewicht als Risikofaktor

tagesschau.de: Welche Ihrer Patienten hatten einen schweren Krankheitsverlauf?

Luo: Zu den Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf gehört das Alter - wer älter ist als 65, hat ein deutlich größeres Risiko. Ein anderer ist Übergewicht, zum Beispiel ein Body Mass Index von mehr als 28. Auch einige chronische Krankheiten wie COPD ("Chronische obstruktive Lungenerkrankung"), Bluthochdruck, Diabetes und chronische Nierenerkrankungen erhöhen das Risiko für einen schweren Verlauf. Solchen Patienten muss man mehr Aufmerksamkeit schenken.

Medikamente müssen genau auf den einzelnen Patienten abgestimmt sein. Wenn sich sein Zustand verschlechtert, muss man stärkere Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel Sauerstofftherapie, nicht-invasive Beatmung und manchmal sogar Intubation.

Keine Symptome - aber trotzdem infektiös

tagesschau.de: Warum beschreiben Sie das Virus als "listig"?

Luo: Wir haben noch viel zu tun bei der Untersuchung dieses Virus, weil es neu ist. Wir hatten Patienten mit sehr offensichtlichen Symptomen und im CT klar erkennbaren Veränderungen, aber der Test bei ihnen war negativ. Wir haben einige Patienten, die keine Symptome mehr zeigen, bei denen das CT auch unauffällig ist, die aber trotzdem bei Tests positiv sind - und zwar lange Zeit. Zum Beispiel hatten einige Patienten mit Diabetes noch nach einem Monat einen positiven Test.

tagesschau.de: Können solche Patienten andere Menschen anstecken?

Luo: Das wissen wir nicht, weil wir nur mit PCR-Tests (Polymerase-Kettenreaktion) arbeiten. Das Virus kann bereits tot sein und ist dann nicht mehr übertragbar - aber wir können es immer noch messen und haben daher ein positives Testergebnis. Unser Standard, um Menschen aus dem Krankenhaus zu entlassen, erfordert zwei negative Tests an zwei unterschiedlichen Tagen. Das ist sehr streng. Danach sollte der Patient noch zwei Wochen unter Quarantäne gestellt werden. Ich denke, dass dies die Übertragung der Krankheit verringert.

Steffen Wurzel, Stefffen Wurzel, ARD Shanghai, 31.03.2020 21:39 Uhr
Das Interview führte Daniel Satra, NDR