Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantanamo (Archivbild).

20 Jahre Guantanamo Und nun?

Stand: 11.01.2022 01:06 Uhr

Seit 20 Jahren nutzen die USA das Gefangenenlager in Guantanamo, um Menschen dort einzusperren. Zwar haben sich die Haftbedingungen seit den dunklen ersten Jahren verbessert. Doch auf eine baldige Schließung des Lagers deutet wenig hin.

Carol Rosenberg steht am Fähranleger des US-Marine-Stützpunktes Guantanamo Bay auf Kuba. Die Reporterin der New York Times war dabei, als dort die ersten Gefangenen aus Afghanistan im Flugzeug ankamen - in orangefarbenen Overalls und in Ketten. Der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt: genau vier Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September.

Viele Leute waren sehr zufrieden mit diesen Bildern und der Idee, dass wir Menschen in orangenen Anzügen in Käfigen festhielten. Es hieß: Die waren es, das sind die Schlimmsten der Schlimmen. Die Botschaft war: Wir haben sie.

Mansoor Adayfi kam im Februar 2002 nach Guantanamo. Der damals 18-Jährige war in Afghanistan aufgegriffen worden. Die US-Regierung hielt ihn für einen Al-Kaida-Funktionär. Der Jemenit sagt, es war eine Verwechslung. 14 Jahre war Adayfi in Guantanamo, bevor er 2016 nach Serbien abgeschoben wurde.

Du bist nur noch eine Nummer. 4-4-1. Sie sagen: Du bist ein Terrorist. Sie haben versucht, uns zu brechen, unseren Geist vom Körper zu trennen. Schlafentzug, Folter, sexuelle Nötigung. Guantanamo wurde ein Versuchslabor.

Kaum noch Fortschritte bei verbliebenen Gefangenen

Schon in der Obama-Ära verbesserten sich die Haftbedingungen erheblich. Von den mal 780 Gefangenen sind heute nur noch 39 vor Ort. 13 von ihnen könnten eigentlich raus - die US-Regierung hält sie nicht mehr für gefährlich. Aber erstmal muss sich ein Land finden, das sie aufnimmt.

Anwalt Clive Stafford-Smith vertritt vier dieser Männer: "Einer summt mir manchmal Hotel California von den Eagles vor. Du kannst zwar auschecken. Aber Du kannst nicht gehen."

Auch die Terrorprozesse gegen zehn Gefangene kommen kaum voran. Gegen den mutmaßlichen Chefplaner der Anschläge vom 11. September, Khalid Sheik Mohammed, wurde schon vor knapp zehn Jahren Anklage vor einem Sondertribunal vor Ort erhoben. Aber das Hauptverfahren gegen ihn hat immer noch nicht begonnen. Das Problem: Er und die anderen Angeklagten wurden in geheimen CIA-Gefängnissen jahrelang gefoltert, sagt Stafford-Smith. 

Wenn die je in einem regulären US-Gericht landen würden, hätten sie gute Chancen, dass die Verfahren gegen sie eingestellt werden wegen ungeheuerlichem Fehlverhalten der Regierung - wozu Folter wohl gehört.

Gefangene im "Krieg gegen den Terror"

Der US-Kongress hat gerade erneut verboten, Steuergelder für eine Verlegung der Häftlinge in die USA auszugeben. Viele Republikaner sind überzeugt: diese Männer sind überzeugte Dschihadisten - und zu Recht Gefangene des "Krieges gegen Terror". Und der sei noch nicht zu Ende, argumentiert beispielsweise Charles Stimson, ehemaliger Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium.

Nennen Sie mir einen Krieg in der Geschichte von Deutschland oder den USA, in dem Kriegsgefangene während eines Krieges freigelassen wurden. Das macht keinen Sinn. Man bewaffnet seine Gegner doch nicht, während man sie gleichzeitig besiegen will. Aber genau das haben wir seit Beginn dieses Krieges getan.

In Guantanamo selbst wird gerade ein neuer Gerichtssaal gebaut - und ein Wohnblock für die Wärter. "Ich habe nichts gesehen, was darauf schließen lässt, dass die Biden-Regierung das Lager schließen will", sagt New-York-Times-Reporterin Rosenberg. Guantanamo werde es wohl auch noch geben, wenn sie längst in Pension ist.

Julia Kastein, Julia Kastein, ARD Washington, 11.01.2022 00:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 11. Januar 2022 um 07:50 Uhr.